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Puls

Puls

Titel: Puls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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schlagartig in eine Wehrpflichtigenarmee - eine Armee, die buchstäblich nichts fürchtet, weil sie wahnsinnig ist - und zerstört die Infrastruktur. Wo ist denn heute Nacht die Nationalgarde?«
    »Im Irak?«, schlug Clay vor. »In Louisiana?«
    Das war kein sonderlich guter Scherz, und McCourt lächelte auch nicht darüber. »Sie ist nirgends. Wie kann man einen Heimatschutzverband einsetzen, der heutzutage fast vollständig aufs Mobilfunknetz angewiesen ist, um auch nur mobilmachen zu können? Was Flugzeuge betrifft, war die letzte Maschine, die ich in der Luft gesehen habe, das kleine Sportflugzeug, das an der Ecke Charles und Beacon Street abgestürzt ist.« Er machte eine Pause. Dann fuhr er fort, wobei er Clay weiter über den Tisch hinweg in die Augen sah. »Alles das haben sie bewirkt . wer immer sie sein mögen. Sie haben uns von dort aus beobachtet, wo immer sie leben und ihre Götter verehren, und was haben sie gesehen?«
    Clay schüttelte den Kopf. Ihn faszinierten McCourts Augen, die hinter den Brillengläsern funkelten. Fast die Augen eines Visionärs.
    »Sie haben gesehen, dass wir den Turmbau zu Babel wiederholt haben . und zwar aus nicht mehr als elektronischen Spinnweben. Und dann haben sie binnen Sekunden diese Spinnweben weggewischt, und unser Turm ist eingestürzt. Das alles haben sie bewirkt, und wir drei sind wie Käfer, die Dusel gehabt haben und deshalb zufällig dem Aufstampfen eines Riesenfußes entgangen sind. Das alles haben sie bewirkt, und trotzdem glauben Sie, sie hätten kein Signal senden können, das die Befallenen anweist, nach fünf Stunden einfach einzuschlafen und das Atmen einzustellen? Was erfordert dieser Trick im Vergleich zum ersten? Nicht viel mehr, würde ich sagen.«
    »Ich finde, es ist an der Zeit, dass auch wir etwas Schlaf bekommen«, sagte Clay.
    Einen Augenblick lang verharrte McCourt leicht über den Tisch gebeugt und starrte Clay an, als könnte er nicht verstehen, was dieser gesagt hatte. Dann lachte er. »Genau«, sagte er. »Genau, Sie haben Recht. Ich hab mich da in was reingesteigert. Tut mir Leid.«
    »Keine Ursache«, sagte Clay. »Ich hoffe, dass Sie Recht behalten und die Verrückten wirklich tot sind.« Er hielt kurz inne und fügte dann hinzu: »Ich meine ... außer mein Junge ... Johnny-Gee ...« Er brachte den Satz nicht zu Ende. Was daran lag, dass Clay sich nicht sicher war, ob er wollte, dass sein Sohn noch lebte, falls dieser heute Nachmittag sein Handy irgendwie benutzt und denselben Puls empfangen hatte wie Pixie Light und Power Suit Woman.
    Tom McCourt streckte eine Hand über den Tisch aus, und Clay umfasste die zarte, langfingrige Hand des anderen mit beiden Händen. Er sah das geschehen, als befände er sich außerhalb seines Körpers, und als er weitersprach, schien er nicht selbst zu sprechen, obwohl er spürte, wie sich seine Lippen bewegten und dass ihm die Tränen über das Gesicht liefen.
    »Ich habe solche Angst um ihn«, sagte sein Mund. »Ich habe um beide Angst, aber vor allem um meinen Jungen.«
    »Es wird schon alles in Ordnung sein«, sagte McCourt, und Clay wusste, dass der kleine Mann es gut meinte, aber trotzdem säten die Worte Entsetzen in sein Herz, weil das nämlich nur eine jener Floskeln war, die man gebrauchte, wenn man eigentlich nichts zu sagen wusste. Wie Du wirst darüber hinwegkommen oder Er hat's jetzt besser.

11
    Alice' Schreie weckten Clay aus einem wirren, aber nicht unangenehmen Traum, in dem er auf einem Rummelplatz in Akron im Bingozelt war. Im Traum war er wieder sechs Jahre alt - vielleicht sogar jünger, aber bestimmt nicht älter -, hockte unter dem langen Tisch, an dem seine Mutter saß, hatte einen Wald aus Frauenbeinen vor sich und roch süßliches Sägemehl, während der Ausrufer verkündete: »B-12, liebe Spieler, B-12! Es ist das Sonnenschein- Vitamin!«
    Einen Augenblick lang versuchte sein Unterbewusstsein, die Schreie des Mädchens in seinen Traum zu integrieren, indem es ihm vorgaukelte, er höre die samstägliche Mittagssirene, aber das dauerte nur einen Augenblick. Nach ungefähr einstündiger Wache hatte Clay zugelassen, dass er auf McCourts Veranda einschlief, weil er überzeugt war, dass dort draußen nichts passieren würde, zumindest nicht heute Nacht. Aber er musste ebenso davon überzeugt gewesen sein, dass Alice nicht durchschlafen würde, jedenfalls war er keineswegs verwirrt, sobald er ihre Schreie als das identifizierte, was sie waren, und brauchte nicht herumzutappen, bis er

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