Pulverturm
nicht besonders auskunftsreich. Im näheren Umfeld des Tatorts gab es nichts, was in irgendeiner Weise auffällig oder unserem Mord zuordenbar gewesen wäre. Auch die Standards liefern leider nichts Aufregendes. Also, keine Schleif- oder Abriebspuren. Keine Schuhabdrücke – jedenfalls nicht oben am Durchgang zur Treppe.
Am Eisengeländer wurden keine Fingerabdrücke gefunden. In der kalten Jahreszeit haben eben viele Handschuhe an. Zudem verwischt man damit Abdrücke, wenn man sich am Geländer festhält. Da ist also nichts zu erwarten. Es schaut also eher traurig aus.
Von der Tatwaffe keine Spur. Vielleicht bringt uns die Bereitschaftspolizei weiter, die heute noch mit zwei Gruppen aus Königsbrunn kommen wird. Ein Taucher soll auch dabei sein. Ich werde mit denen auf die Insel fahren und die Absuche koordinieren. Du fährst ja nach Memmingen zur Obduktion, oder?«
Somit war auch geklärt, wer diesen Job übernehmen würde. Sie blätterte ohne aufzusehen in ihren Unterlagen und zitierte stockend: »Da wäre für dich Folgendes interessant: Am Toten selbst keine Eiablage feststellbar, kein Verbiss durch Tiere. Aufgrund der Totenflecken und dem Status der Leichenstarre kann davon ausgegangen werden, dass keine Umlagerung nach der Tat stattgefunden hat.
Zum Tatablauf lässt sich aber sagen, dass der Angriff auf Ottmar Kinker direkt auf der oberen Treppenplattform erfolgt sein muss, denn es wurden Abriebspuren seiner Schuhe an der ersten Stufenkante gefunden. Die Abriebe stammen vom Oberleder. Es könnte so gewesen sein, dass der Täter oben hinter dem Durchgang gestanden und Kinker dort abgepasst hat.
Auf der mittleren Plattform gab es Blutspuren und jede Menge Faserabrieb. Solche Spuren aber waren auf den oberen Treppenstufen nicht feststellbar, was darauf hinweist, dass er noch relativ kontrolliert bis zum mittleren Plateau gekommen ist. Erst auf den unteren Stufen waren dann Fasern der Hose und der Jacke feststellbar, was mit den wenigen Schleifspuren an seiner Kleidung zusammenpasst. Er ist also von der zweiten Plattform aus nach unten bis in die Endlage gerutscht.«
Conrad Schielin blätterte durch eine Kopie des Spurenberichts, während er ihr zuhörte. Als sie fertig war, fragte er: »Und diese Verletzung im Gesicht, oder war das nicht an der Schläfe?«
»Das war vermutlich ein Schlag. Es ist aber nicht klar, zu welchem Zeitpunkt der erfolgte – vor der Messerattacke oder danach. Schwierig zu sagen.«
Schielin blätterte auf die letzten Seiten des Berichtes, wo die Zusammenfassung der gesicherten Spuren aufgelistet war. Ein erster Blick sagte ihm, dass das Ergebnis dürftig war. Er überflog die Liste, während er Lydia weiter zuhörte.
»Sicher ist aber, dass es keine Rauferei gab. Es sind keine Spuren vorhanden, die darauf hindeuten würden. Wir können also Handgreiflichkeiten ausschließen und somit auch die Variante, dass es einen Streit gab, der eskaliert ist.
Seine Kleidung war bis auf diese kleinen Abriebe, die mit Sicherheit vom Schleifen über die Stufen herrühren, in Ordnung. An seiner Kleidung sind keine Nähte gerissen oder dergleichen, und an den Händen befanden sich keinerlei Abwehrspuren.
Die Tat selbst lässt sich in etwa so erklären: ein kräftiger Schlag ins Gesicht, dann ein Stich, und der war sehr professionell und zielgerichtet durchgeführt«, sie schnaufte laut aus und schüttelte den Kopf. »Er hatte nicht mal die Chance, sich zu wehren. Das sieht schon sehr nach einem geplanten und eiskalt durchgeführten Mord aus.«
Schielin wiederholte: »Keine Auseinandersetzung, nur ein tödlicher Stich, keine Spuren. Das klingt aber gar nicht gut. Vor allem lässt sich irgendeine Art von Affekthandlung schon ausschließen. Es gab keinen Streit, kein Handgemenge, in dessen Verlauf es dann zu der tödlichen Messerattacke kam. Der Täter muss also auf eine gute Gelegenheit gewartet haben, und als sie sich bot, hat er sie sehr zielstrebig genutzt. Aber was muss das für ein Mensch sein, der derart kaltblütig vorgeht?«
Beide schwiegen einen Augenblick. Dann sagte Schielin: »Ich bin auf das Obduktionsergebnis sehr gespannt. Insbesondere auf den Verlauf des Stichkanals. So wie das aussieht, befürchte ich, dass derjenige, der das getan hat, nicht zum ersten Mal auf diese Weise gemordet hat. Der Ablauf ist viel zu perfekt. Das muss jemand gewesen sein, der … ja, der das gelernt hat. Jedenfalls halte ich es für ausgeschlossen, dass wir es mit einem Ersttäter zu tun haben. Dazu
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