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Pulverturm

Pulverturm

Titel: Pulverturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Maria Soedher
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der Ottmar Kinker so vermissen wird, wie ich dich vermissen würde. Vielleicht diese Frau mit dem Kind? Es wäre aber auch möglich, dass sie ihn ausgenommen hat wie eine Weihnachtsgans, und dann ….
    Aber jetzt ist er tot, und so betrachtet, wäre es in letzterem Fall doch eine schöne Illusion für ihn gewesen, mit dem vermeintlichen Wissen zu sterben, von jemandem geliebt worden zu sein, oder etwa nicht?«

    Als er zurück ins Haus ging, sah er drüben im Hof die Glut einer Zigarette aufglimmen. Albin Derdes rauchte die letzte Overstolz für diesen Tag. Im warmen Widerschein der alten Küchenlampe sah er dessen Frau Emma, die Geschirr in die Schränke räumte.
    Schielin beendete den Abend mit einem Glas Rotwein und Mozarts Klavierkonzert Nummer zweiundzwanzig. Mitsuko Uchida interpretierte so, dass noch Raum für Gedanken blieb, ohne an den Klängen vorbeizudenken.
    Eine der Fragen, die ihn beschäftigten, lautete: Was steht im dritten Brief? Und – konnte er ihn öffnen? Er war zu sehr davon beherrscht, zu einem für ihn angenehmen, seine kriminalistische Neugier befriedigenden Ergebnis zu kommen, als dass er die Fragestellungen in der gebotenen Objektivität hätte betrachten können. So blieb nur, die Sache mit Marja zu besprechen, weil es weniger ein juristisches als vielmehr ein persönliches und ethisches Problem war, das ihn drückte. Der Kommissar Schielin wusste, was er tun wollte, doch der Mensch Conrad Schielin hatte Zweifel. Und Fragen solcher Art erörterte er grundsätzlich mit seiner Frau.

Das Testament
    Als es am See bereits hell war, die Sonne hingegen noch hinter Berghängen verharrte, nahm der neue Tag für ihn seinen Anfang. Schielin wusste, was er wollte. Er war zielstrebig ins Büro gefahren, diesmal ohne Umweg über die Insel, und bereitete den Arbeitstag vor. Er legte die drei Briefe zurecht. Lydia recherchierte im PC. Ganz früh am Morgen ging das Ding am besten. Die Aufträge für den Tag waren schnell verteilt. Robert Funk sollte über Aureum-Immobilien das Ermittlungslicht einschalten, Lydia wertete Kinkers Unterlagen aus, und Schielin hatte vor, Meta Kinker einen Besuch abzustatten. Er wartete nur noch auf das Fax der Staatsanwaltschaft, dass die Leiche freigegeben war. Dann hatte er einen weniger aufdringlichen Grund, bei den beiden vorbeizusehen.
    Erich Gommert tauchte im Türrahmen auf. Mit schlafwandlerischer Sicherheit im denkbar ungünstigsten Augenblick. Keiner der beiden schenkte ihm mehr als einen kurzen Blick, dem jegliche Aufforderung abging, eine Konversation beginnen zu wollen. Begrüßt hatten sie sich ja schon bei der Ankunft, so wie dies gute Sitte war, und vom Reden würde sich Gommert sowieso nicht abhalten lassen.
    Immerhin hatte er Respekt vor der Privatsphäre des Büros und blieb, wie er es mochte, im Türrahmen lehnen. »Dees isch furchtbar«, begann er, zog das u und a dabei in die Länge und unterschlug das r. »I mog ja scho gar net emol mehr an Sää nunter gange. Allbott a Leich! Dersäuft, derschtoche. Des isch doch furchtbar, mhm? Unsere Zeit halt, des isch unsere Zeit. Die ist so, unsere Zeit. Oder net, wos moinet ihr zwoi?«
    Schweigen.
    Erich Gommert ignorierte die Ignoranz seiner Kollegen und fuhr fort, seinem Jammer Ausdruck zu verleihen. »Am Pulverturm au no! Jemand so niederschteche … umbringe«, er schüttelte entrüstet den Kopf, »gut, im Zech draus vielleicht, oder in der Bregenzer Stroß, vielleicht au scho no eher. Aber grod da am Pulverturm! Da traut sich doch kein Tourist mehr her, oder?«
    »Oder draußen in Bodolz«, warf ihm Lydia Naber kurz hin.
    Vom Gang her waren die Schritte von Funk zu hören.
    »Was ist jetzt eigentlich mit dem Drucker los, Gommi«, fragte Lydia, um ihn vom Thema abzubringen.
    »Ist schon bestellt. Ein richtiges Profigerät. Apropos Profi. Habt ihr eigentlich schon mal drüber nochdenkt, dass das ein Profi gewesen sein könnt? Ein Killer! So wie im letschte Sommer der Russ do drausse bei dr Galgeninsel …«
    Schielin atmete genervt aus. Lydia sah kurz und abweisend von ihren Unterlagen auf.
    »I moin bloß … nur so … wär des denn eigentlich net so was für eine … offensive Fallanalytik?«
    Schielin sah weiter auf die Papiere vor sich und sagte. »Operativ, Erich, das heißt operative Fallanalyse.«
    »Ha no, so Profiling halt.« Er sprach Profiling aus, wie man es schrieb.
    »Immerhin«, dachte Schielin.
    Funk tauchte hinter Gommert auf und sah suchend ins Büro. Schielin fragte: »Robert. Du bist doch

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