Pulverturm
diese Jasmin, war ganz eine Fixe, wie er wusste. Sie musste ran.
In Gommerts Reich, dem Geschäftszimmer der Kripo, las sie ruhig und konzentriert die Bedienungsanleitung des Druckers, fand das kleine Knöpfchen namens Werkseinstellungen auf der Rückseite des Gehäuses versteckt, drückte es mit der Spitze einer Sicherheitsnadel ein, und der Drucker sprach wieder Deutsch.
Wenzel war stolz, und Jasmin Gangbacher musste sich um Förderung und Wohlwollen keine Gedanken mehr machen. Ihr durften fortan Fehler unterlaufen, und es würde heißen: Kann jedem mal passieren. Und wenn ihr Dinge gut gelangen, würde es heißen: Qualitätsarbeit. Wichtiger aber war, dass ihr Gommert auf ewig dankbar sein würde. Und das war viel wert.
*
Josef Pawlicek sah in den Metallspiegel und kontrollierte sein Erscheinungsbild. Dann brachten ihn zwei Uniformierte hinaus auf den Hof. Es war warm, sonnig und zartes Grün leuchtete von überall. Sein Auto stand neben einem Anhänger. Sie hatten es also hierher gebracht. An der Beifahrertür sah er weißen Staub. Er zuckte kurz, denn der Anblick störte ihn, und er hätte den Fleck gerne weggewischt.
Seine ausgeglichene Haltung änderte sich, als er in den Raum gebracht wurde, an dessen Türschild Vernehmungsraum I stand. Kahle Wände, ein vergittertes Fenster. In der Mitte des Raums ein alter Tisch, dessen Furnier an den Ecken vollständig abgerissen war. Ein Mikrofon stand auf der schmucklosen Tischplatte. Drei Stühle. Die Blonde und ihr Kollege warteten schon. Es war kühl im Raum und dies lag nicht alleine an den Temperaturen.
»Guten Morgen Herr Pawlicek. Wie haben Sie geschlafen?«, begann Schielin, und blätterte dabei in Unterlagen.
»Gut.«
Keiner der beiden entgegnete etwas. Conrad Schielin holte ein Formular hervor, auf dem alle persönlichen Daten von Josef Pawlicek notiert waren, und las jeden einzelnen Punkt vor. Pawlicek bestätigte die Daten zunächst mit einem Ja, dann nur noch mit einem Nicken. So ging es über den Namen zum Wohnort, den Geburtsdaten, den Daten des Fahrzeugs bis zum Beruf.
Schielin fragte in Richtung Lydia Naber. »Beruf?« Dann wendete er sich überrascht Pawlicek zu und fragte. »Was sind sie von Beruf?«
Das irritierte ihn leicht. Er hatte es noch nicht verinnerlicht, einen Beruf zu haben, den man so frei nennen konnte.
Da half auch das häufige Vergewissern auf der Visitenkarte nichts.
»Steht auf meiner Visitenkarte«, entgegnete er höflich, ohne sich seine Verunsicherung anmerken zu lassen.
»Kaufmann«, las Lydia Naber laut, ohne jeden Unterton.
Conrad Schielin öffnete eine rote Pappakte. Fotos waren auf der oberen Seite zu erkennen. Josef Pawlicek musste gar nicht angestrengt über den Tisch sehen, um zu erkennen, worum es sich handelte. Die charakteristische Erscheinung des Turms, der auf den Bildern zu erkennen war, sagte ihm, worum es ging.
Schielin sagte etwas von Belehrung, dass er sich nicht zu äußern bräuchte, zu dem was geschehen sei, nur zu seinen Personalien, und dass er das Recht hätte, einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen. Pawlicek sah diesen wunderschönen Turm vor sich und hörte Schielin gar nicht zu. Er sagte nur. »Nein. Keinen Rechtsanwalt, vorerst.«
Lydia wusste, dass diese Aussage auf Band war, und ließ keine Sekunde verstreichen. »Woher kannten Sie Ottmar Kinker?«
Er wollte fast grinsen. Beherrschte sich aber, und fragte.
»Wen, bitte?«
»Ottmar Kinker.«
»Nie gehört.«
Sie hielt eine Fotografie hoch. Es war ein vergrößerter Videoprint der Überwachungsaufnahme.
»Das hier ist Ottmar Kinker. Haben Sie ihn schon einmal gesehen?«
Pawlicek stöhnte gespielt und betrachtete die Fotografie.
Dann schüttelte er den Kopf. »Nein. Ich kann mich zumindest nicht daran erinnern, diesen Mann schon einmal gesehen zu haben.«
»Zumindest«, sage sie und sah ihn fragend an.
Bisher hatte er seine Hände zusammengefaltet im Schoß liegen. Er wusste, dass Polizisten darauf achteten, wie man sich bewegte. Jetzt aber musste er sich ans Kinn fassen. Er konnte irgendwie gar nichts dagegen machen. Die Blonde lächelte.
»Wo waren Sie am letzten Montag zwischen achtzehn und einundzwanzig Uhr.«
Pawlicek sah nachdenklich zur Decke. »Sie sagten zwischen sechs und neun Uhr, oder?«
»Ja. Abends. Wo waren Sie da.«
»Ich war wohl spazieren.«
»Und wo?«
»Am Seeufer, irgendwo. Es ist ja so schön hier bei Ihnen. Ich weiß gar nicht, ob Ihnen bewusst ist, in welchem Paradies Sie hier
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