Puna - Toedliche Spurensuche
Freundin von Commandante Ernesto Che Guevara. Auf jeden Fall war sie in seiner Guerillatruppe hier in Bolivien dabei und wurde getötet. Auch ihre Knochen wurden mittlerweile gefunden. Frau Koswig, Sie werden um Che nicht umhin kommen«.
»Sind Sie ein Fan von ihm ?«
»Konnte mich bisher der Faszination entziehen. Als Student hat mir meine damalige Freundin Bilder von Che gezeigt, als er nach seiner Hinrichtung aufgebahrt war. Das erinnerte schon ein wenig an einen modernen Jesus. Aber ich weiß auch, dass er skrupellos und brutal sein konnte. Nein, ein Fan bin ich sicherlich nicht. Wussten Sie eigentlich, dass man vor wenigen Jahren seine Fingerabdrücke und eine Haarlocke von Che für fast 120.000 US-Dollar versteigert hat? Schon irre - nicht wahr?«
Anja schob den Schieber vor dem Fenster wieder hoch. Die grünen Wälder unter ihnen kamen immer näher. Wolkenfetzen strichen an den Fenstern vorbei. Sie konnte die Betonpiste erkennen. Links und rechts neben der Betonpiste standen Wasserpfützen. »Was soll ich mir denn jetzt aussuchen ?« , fragte sich Anja, »Gelbfiebermücke oder Malariamücke?«. Der Abstand zur Betonpiste wurde immer kleiner. Ein Rucken. Langsam senkte sich die Nase des Flugeugzeugs. Kurz danach erneutes Rucken. Deutlich spürte sie, wie die Geschwindigkeit des Flugzeuges abgebremst wurde. Einmal mehr bewegten sie sich zur Parkposition.
Nachdem sie wieder gestartet waren, griff Anja in die Brusttasche ihrer Weste, holte einen Höhenmesser heraus und legte ihn auf das Tischchen, das sie vor sich ausgeklappt hatte.
»Na und ?« , fragte Nathan.
»Ich glaube, Sie haben recht gehabt. Der Luftdruck fällt«
Sie blätterte in ihrem Magazin weiter. Da fiel ihr Blick auf einen Artikel ‚Wenn Mücken töten. Malaria‘. Diese Plagegeister schienen seit einiger Zeit ihr Leben zu beherrschen. Sie hatte sich nie vorher Gedanken darüber gemacht, welche Bedeutung Mücken für unser Leben haben. Malaria - Okay, das wusste sie. Aber Dengue war bis vor ein paar Wochen kein Thema gewesen. Wasserpfützen. Klar, dass das ideale Brutreviere für Mücken sind. Aber weggeworfene Coladosen, Joghurtbecher oder Blumentöpfe mit stehendem Wasser? Nie hätte Sie daran gedacht, dass dadurch die gefährlichen Erreger verbreitet werden könnten. Dass Dengue auch über die Eier der Gelbfiebermücke weitergetragen werden kann, weil die Mücke so Trockenzeiten, kühlere Witterungsperioden und andere Launen der Natur überdauern kann, war eine Dimension, an die Anja vorher nie zu denken gewagt hätte.
Allmählich spürte sie bewusst, was Nathan Gailman ihr vorhin zu sagen versuchte. So also fühlte sich große Höhe an. Noch saß sie. Noch musste sie sich nicht bewegen. Sie schaute dezent zur Seite.
»Na, merken Sie schon was ?« , fragte Nathan.
Anja nickte. Sie schlug ihr National Geographic zu. »Sagen Sie, Nathan, was reizt Sie eigentlich an Bolivien ?«
»Das kann ich Ihnen eigentlich gar nicht sagen, Frau Koswig ...«
»Anja. Und wenn wir schon dabei sind, können wir auch ‚Du‘ sagen ...«, fiel sie ihm ins Wort.
»Auweia, was ist denn da passiert? Danke für das Angebot. Anja, ich weiß es nicht. Es ist wahrscheinlich ein Sammelsurium. Die Menschen. Die schroffe und teilweise herbe Landschaft. Das Gefühl in einem Land unterwegs zu sein, das noch nicht so überlaufen ist ? Ich kann es nicht sagen. Und weshalb bist du hierhergekommen ?«
»Neugierde«, log Anja. »Einfach die Augen zugemacht, den Atlas aufgeschlagen, mit dem Finger irgendwohin getippt und dann die Augen wieder aufgemacht. Und da war es dieses Mal Bolivien«.
»Eine etwas eigenwillige Methode. Ich weiß nicht, ob sie für Südamerika so geeignet ist«.
»Bisher hat sie funktioniert. Südamerika ist jetzt erstmals dran. Mal sehen«
»Und wohin wollen sie? Was haben Sie vor ?«
»Nathan, eigentlich waren wir schon beim ‚Du‘. Wenn Dir das ‚Sie‘ leichter fällt, können wir gerne wieder zurückgehen und du sagst wieder Frau Koswig ?« , sagte sie lächelnd.
»Ich schätze, ich habe den zweiten Volltreffer. du hast mich angelächelt. Darf ich Dich dafür heute Abend zum Essen einladen? Passend für Bolivien in eine Polleria?«
»Eine was?«
»Polleria! Grillhähnchenbude. Wirst Du überall in Bolivien finden«.
»Ich weiß nicht ...«
»Was denn. Stört Dich die Polleria oder willst du nicht mit mir essen ?«
»Vielleicht will ich heute noch weiter reisen ?«
»Wohin? Hast du schon ein Ziel ?«
» ...«
»Warte doch ab,
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