Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Puna - Toedliche Spurensuche

Puna - Toedliche Spurensuche

Titel: Puna - Toedliche Spurensuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Scholze
Vom Netzwerk:

    »Bolivien«.
    »Ich auch. Waren Sie schon einmal dort ?«
    »Nein«.
    »Sagen Sie, hat ihr Vater auf dem Telegraphenamt gearbeitet ?«
    »Ich verstehe nicht«, sagte Anja.
    »Sie machen den Eindruck, als ob Sie für jedes Wort bezahlen müssten ...«
    »Hören Sie, Herr Gailmann, ich ...«
    »Nathan. Bitte nennen Sie mich Nathan. Für den Familiennamen kann ich nichts. Da ich ihn ohne Aufwand nicht loswerde, kann ich immerhin dafür sorgen, dass ich ihn nicht so häufig höre«
    »Okay, Nathan ...«
    »Finden Sie es dann nicht komisch, wenn Sie mich Nathan nennen und ich Sie mit Frau Koswig anspreche ?«
    »Ich kann damit leben«.
    »Das glaube ich nicht. Nicht auf Dauer, Frau Koswig«.
    »Hören Sie, Nathan ...«
    »Keine Sorge, Frau Koswig. Ich nehme das nicht persönlich. Wir haben schließlich alle unsere Macken. Ich bin schon das dritte Mal in Bolivien. Es ist ein tolles Land und die Menschen sind total liebenswert. Glauben Sie mir. Nachher gibt es noch eine Überraschung .«
    »Wie meinen Sie das ?«
    »Ganz einfach, Frau Koswig. Wenn wir nachher in Santa Cruz de la Sierra starten, sind wir knapp über dreihundert Meter hoch. Übrigens, der Flughafen hat einen sehr melodischen Klang: Viru Viru Internacional. Also, wie gesagt, der ist knapp dreihundert Meter hoch. Und unser Zielflughaben in La Paz ist dagegen etwas über 4050 Meter hoch. Was glauben Sie, Frau Koswig, würde passieren, wenn die einfach nach der Landung die Türen aufmachen würden? Es würde zischen und knallen. Druckausgleich. Nein. Die fangen nach dem Start an, den Luftdruck hier drinnen langsam auf die auf die Zielhöhe anzupassen. Besser man weiß das im Vorfeld. Waren Sie schon einmal in 4000 m Höhe ?«
    »Nein, bisher nicht«.
    »Ist nicht weiter schlimm. Glauben Sie mir. Wenn Sie es anfangs nicht übertreiben, geht es. Sie werden nur merken, dass sie häufiger stehen bleiben müssen, weil Sie außer Atem sind. Und wenn sie nachts aufwachen, kann es auch passieren, dass sie etwas an Atemnot leiden. Ich achte da gar nicht mehr darauf. Aber ich bekomme es immer wieder von Mitreisenden mit. Die sagen immer, sie hätten das Gefühl, jemand würde ihren Brustkorb umklammern. Frau Koswig, Sie sollten zusehen, dass sie schnellstmöglich an Cocatee kommen .«
    »Nein, danke. Das ist nicht mein Ding«.
    Gailmann lachte. »Weil es Drogen sind ?«
    »Nathan, ich habe mit so einem Zeug nichts im Sinn. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie das respektieren würden«.
    »Frau Koswig, Sie tun gerade den Bolivianern unrecht. Man darf den Mate de Coca nicht in eine Schublade mit Kokain werfen. Um aus dem Cocastrauch Kokain herzustellen, brauchen sie noch einiges an Chemie. Das lehne ich auch ab. Aber die Menschen vor Ort wissen schon, wie man mit der Höhe zu Recht kommt. Es ist nur ein Rat. Probieren Sie es aus. Sie trinken doch auch Kaffee. Oder?«
    Einen Augenblick herrschte Ruhe.
    »Frau Koswig, wenn Sie in Bolivien mit Drogen erwischt werden, ist das nicht lustig. Ich glaube, ihr Urlaub würde sich um mindestens 8 Jahre verlängern - nur, dass Sie das wohl nicht mehr als Urlaub empfinden würden. Wenn Sie in Bolivien aber Cocablätter bei sich hätten, würde das niemanden kümmern. Cocatee gehört einfach in die Kultur der Länder, in denen Menschen in großer Höhe leben. Aber sie sollten die Cocablätter immer da lassen, wo sie hingehören. Außerhalb dieser Kulturen bekommen Sie nur Probleme ...«
    Nathan las weiter in seinem Buch. Anja griff nach der Ausgabe von National Geographic , die sie sich vor dem Abflug aus ihren Beständen mitgenommen hatte, und blätterte darin. Der Artikel über die letzten Tage von Ötzi wartete nun schon einige Jahre darauf, gelesen zu werden aber sie fand nie die Zeit. Jetzt hatte er den angenehmen Nebeneffekt, dass sie sich nicht rechtfertigen musste, weil sie mit diesem Nathan Gailman nicht reden wollte.
    Die archäologische Spurensuche empfand sie ohnehin als spannend. Sie hatte nach ihrem abgebrochenen Studium der Geschichtswissenschaften eine Neuorientierung vorgenommen und hatte Geographie studiert. Dabei lernte sie unter anderem auch, dass der Boden nie etwas vergisst. Baute der Mensch Straßen, hinterließ er Spuren im Boden. Baute er Gräben und Wallanlagen, hinterließ er Spuren. Baute er seine Feldfrüchte nicht sachgemäß an und es kam im Sommer zu starken Gewittern, dann waren die Spuren in Form von Rinnen oder Sedimentablagerungen im Boden hinterlassen. Anja konnte damit ihre Leidenschaft für

Weitere Kostenlose Bücher