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Puna - Toedliche Spurensuche

Puna - Toedliche Spurensuche

Titel: Puna - Toedliche Spurensuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Scholze
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Schatten auf der Plaza. In der Mitte ein großer Brunnen. Rings um den Platz reihten sich schöne Häuser im spanischen Stil. Auch die Menschen hatten sich an das Klima angepasst. Statt langärmeliger Hemden und Parka gab es bunte T-Shirts und Blusen. Deutlichster Unterschied war, dass die Cholitas an Stelle des Bowlerhutes einen Strohhut auf dem Kopf trugen. Allmählich füllte sich der Platz. Ohne es zu bemerken, hatte sich ein Demonstrationszug um die Plaza gebildet. Mit Trillerpfeifen im Mund zogen die Menschen allmählich um den Platz. Hin und wieder krachte es gewaltig. Böller, die in Anja eher die Assoziation von Sprengungen auslösten. Eine Stunde dauerte das Schauspiel. Sie schmunzelte, als verschiedentlich Menschen aus dem Umzug ausscherten und auf der Plaza pausierten. Irgendwann reihten sie sich wieder ein und machten weiter. Beklemmend wurde die Situation für sie, als die ersten Böller in ein offenes Fenster im ersten Stock einer Bank geworfen wurden. Sie erinnerte sich daran, irgendwo gelesen zu haben, dass in La Paz durchaus das Militär aufgefahren wird, wenn Bergarbeiter und Kleinbauern auf den Regierungssitz, La Paz, zu marschieren. Erlebnisse, auf die Anja verzichten konnte. Sie zog sich zurück und verschaffte sich stattdessen einen Überblick über Cochabamba.
    Über der Stadt breitete Christo de la Concordia auf seinem Berg seine Arme aus. Weiß. Als würde er an einem unsichtbaren Kreuz hängen. Anders als das Vorbild aus Rio de Janeiro, Christo Redentor, waren aber die Hände leicht nach oben gedreht, so als erwartete er etwas von oben. Zu seinen Füßen lag ein aufgeschlagenes Buch. Lange Zeit waren die Bolivianer stolz darauf, den größten Christus zu besitzen. 30 m groß ist der Christus in Brasilien. Jeder Meter verkörpert ein Lebensjahr von Jesus. Die Bolivianer rechtfertigten ihren größeren Gesalbten damit, dass Jesus ‚30 und ein bisschen‘ Jahre alt wurde. Diesem Wettbewerb, den die Bolivianer selber angestoßen hatten, sind sie 2010 selber erlegen, seit in Polen eine noch höhere Statue entstanden war.
    Anja reihte sich in den Strom der Menschen ein, die auf den Berg pilgerten. Vorbei an gummibaumähnlichen Bäumchen, Oleandern und Kiefern mit 30 cm langen Nadeln. Sie schlendert weiter aufwärts. Oben auf der gepflasterten Fläche angekommen, blickt sie in das Tal von Cochabamba.

    »Wissen Sie, dass Cochabamba so viel wie ‚sumpfige Ebene’ bedeutet ?« , fragte eine tiefe Männerstimme hinter ihr.
    Anja drehte sich um. »Wie meinen Sie ?«
    Sie sah einen älteren, weißhaarigen Mann an, der mit zerschlissener Kleidung hinter ihr stand.
    »Cochabamba stammt aus dem Quechua und bedeutet so viel wie ‚sumpfige Ebene‘. Heute gibt es Schwierigkeiten, die Meschen mit Wasser zu versorgen .«
    »Woher wissen Sie das ?«
    »Ich habe eine Zeitlang hier gewohnt und gearbeitet. Gestatten, ich heiße Alfred Schlebaum«
    »Und ich heiße Anja Koswig. Von wo kommen Sie ?«
    »Ich komme eigentlich aus Tübingen. Aber ich habe hier einige Jahre gelebt und ein Projekt mit Straßenkindern begleitet ...«
    »Das war bestimmt interessant ... ?«
    »Es lässt mich auch heute nicht los. Wissen Sie, wenn sie hier Geld haben, geht es ihnen gut. Haben Sie keines, geht es Ihnen schlecht. Wer hier Geld hat, kann den Wasserhahn aufdrehen und bekommt relativ günstig sein Wasser. Der arme Teil von Cochabamba hat nicht so viel Glück. Sie können nur Wasser aus Brunnen holen oder müssen Wasser anderweitig teuer kaufen .«
    »Wie kommt das ?«
    »Die Infrastruktur passt nicht. Hohe Leitungsverluste. Wenn Sie 10 Liter auf der einen Seite einspeisen, kommen am anderen Ende vielleicht noch 5 Liter an. Höchstens. Es fehlen die finanziellen Mittel, um die Wasserversorgung zu unterhalten und auszubauen. Das Geld geht teilweise vorher andere Wege. Ein altes Problem.«
    »Wie meinen Sie das ?« , fragte Anja.
    »Bolivien ist ein armes Land. Aber Bolivien ist für die anderen Länder immer ein interessantes Objekt gewesen. Als Rohstoff-Lieferant zum Beispiel für Silber. Genauso waren internationale Firmen auch an anderen Rohstoffen interessiert. Zum Beispiel Öl oder Wasser. Der alte Präsident Hugo Banzer ...«
    »Sie meinen den, der von Klaus Barbie in der Zeit der Militärregierung beraten wurde ?«
    »Ja, den. Der ist später noch einmal demokratisch gewählt worden. Da hatte er die Privatisierung der Wasserwirtschaft vorangetrieben. Ausverkauf an ein Firmenkonsortium mit beteiligten Firmen aus den USA

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