Puna - Toedliche Spurensuche
dann wird sie, hoffe ich, reagieren, bis der Betriebsrat sie kontaktieren kann. In dem Fall müssen wir sie inflagranti erwischen. Versuche unbedingt, den Termin heute Nachmittag hinzubekommen. Ich kümmere mich um den Rest«
Nachdem der Bus nach 12 Uhr in den Busbahnhof in Sucre eingefahren war, gab es einige Aufregung. Kaum war die Vordertür geöffnet, trat eine stewardessähnliche Frau mit einem Klemmbrett in der Hand herein und verschwand in der Fahrerkabine. Kurze Zeit später verschwand dort auch ein Anzugträger. Draußen vor dem Bus gab es ein dichtes Gedränge. Kaum war Anja ausgestiegen, wurde sie schon davon gedrängt. Es gelang ihr mit Mühe, an ihr Gepäck zu kommen. Aber danach war Gegenwehr zwecklos. Sie wurde von den Menschen, die zum Bus vordringen wollten, regelrecht nach vorne gerissen. Soviel sie aus den Gesprächsfetzen heraushören konnte, war das Auftauchen des Busses das erste Lebenszeichen seit Aufbruch in Cochabamba. Sie versuchte, schnellstmöglich aus der Menschenmenge herauszukommen. Vor dem Gebäude stieg sie in das erstbeste Taxi ein, das sie zu einem Hotel bringen sollte.
Jetzt, da sie die Plaza 25 de Mayo erreicht hatte, genoss sie die Schönheit der Umgebung. Die hellen Gebäude, die den quadratischen Platz umgaben, die hohen Bäume, deren unterer Teil der Stämme weiß bemalt war. Sie ging zu dem Denkmal. Die in einiger Entfernung im Kreis aufgestellten Bänke waren belegt. Ein kleiner Junge mit dunkelbrauner Haut und kurzgeschorenem Kopf schob einen Handkarren mit Speiseeis vor sich her. In der anderen Hand hielt er einen kleinen Karton mit zwei Kaugummis zum Verkauf. Seine schmutzigen braunen Händchen hielten Anja in Papier eingewickelte Kaugummikugeln entgegen. Als Anja nicht reagierte, ging er zur nächsten Touristin. Sein Blick wurde noch trauriger. »Ultimo goma«, murmelte er und streckte ihr die beiden Kaugummikugeln entgegen. Nachdem sie bezahlt und die Kaugummis entgegen genommen hatte, ging der Junge ein paar Schritte weiter, hockte sich neben seinen metallenen Handwagen und legte wieder zwei Kaugummis in den Karton.
Ein kleines Mädchen lief hinter den Tauben hinterher. Sie entdeckte einen älteren Mann auf einer Parkbank. Eine Plastiktüte mit Brotkrümeln in der Hand lockte auch er die Tauben an. Das Mädchen wartete ab, bis sich wieder eine Anzahl an Tauben versammelt hatte, um sie dann auseinander zu treiben.
»Perdón«, eine junge Frau nahm neben Anja Platz. Ihre ausgeprägte Hakennase, und ihre prominenten Wangenknochen gaben ihrem Gesicht ein kantiges Aussehen. Ihr festes, schwarzes, hinter den Ohren zu zwei Zöpfen geflochtenes Haar gab den Blick auf ihren aus Silberfäden geflochtenen Ohrschmuck frei. Sie lächelte Anja an. »Entschuldigung, sind Sie Frau Koswig ?« , fragte sie.
»Woher kennen Sie meinen Namen«, fragte Anja?
»Wir haben einen gemeinsamen Bekannten. Herr Lochner hat mir ein Bild von Ihnen gemailt«
»Ah, ja?«
»Mein Name ist Haydee Molina Reyes. Darf ich Sie auf einen Kaffee einladen ?«
»Wieso nicht?«
Haydee ging voraus. Sie war nicht größer als 1,68 m. Sie trug ein dunkelblaues Sweatshirt und Jeans. Geschmeidig drängte sie sich durch Menschenansammlungen. Anja musste sich beeilen, um hinter ihr herzukommen. Schließlich bogen beide durch eine große, offen stehende Tür und wendeten sich sofort im Hof nach links. Dort lag versteckt ein Cafe. Kaum öffnete Haydee die Tür, da kam ihr eine ältere Dame entgegen. Ihr graues Haar hing als lockerer Pferdeschwanz auf ihren Rücken. Yolanda, so wurde sie von Haydee genannt, nahm sie in den Arm. Beide sprachen in kurz in halsbrecherischer Geschwindigkeit. Danach führte Yolanda die beiden jungen Frauen in eine etwas abseits gelegene Ecke des Cafes.
Zwei heiße Kaffeepötte standen vor ihnen. Beide lächelten sich an. Schließlich brach Anja das Schweigen.
»Woher kennen Sie Ferdinand Lochner ?«
»Ach, ich kennen ihn eigentlich gar nicht so gut. Dafür habe ich aber mit seiner Tochter, Sandra, studiert. Ich war auch ein paar Mal bei Familie Lochner zum Essen eingeladen .« Haydee fasste ihren Kaffeepott mit beiden Händen und führte ihn zum Mund, während sie daran nippte. »Und wie kommen Sie an ihn ?«
»Ich arbeite für Herrn Lochner als Genealogin«
»Genealogin? Hm ... Das sind doch die, die sich mit Familien beschäftigen ?«
»Ja, ich arbeite Familiengeschichte auf .«
»Und wieso sind Sie in Bolivien? Ich wusste gar nicht, dass Sandra Vorfahren in Bolivien
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