Puna - Toedliche Spurensuche
hat«
»Ich weiß nicht, ob sie Vorfahren in Bolivien hat. Ich soll für Herrn Lochner eine Firmenbiographie schreiben und soll dafür Nachfahren eines wichtigen Mitarbeiters finden«.
»Ein wichtiger, bolivianischer Mitarbeiter?«
»Nein, der Mitarbeiter ist tatsächlich deutscher Abstammung. Aber dessen Tante ist vor den Nazis nach Chile geflohen und später nach Bolivien gezogen«.
»Das finde ich interessant. Wann war das ?«
»Kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges ist sie nach Chile geflohen ...«
»Ich frage deshalb nach, weil die deutschen Emigranten meistens wieder aus Bolivien abgereist sind. Sie sind nicht mit dem Klima und der Höhe zurechtgekommen«.
»Naja, sie hat einen Chilenen geheiratet ...«
»Dann verstehe ich erst recht nicht, dass sie nicht in Chile geblieben ist. Das Klima ist für Europäer besser zu verkraften«, unterbrach sie Haydee.
»Soweit ich weiß, ist dafür die chilenische Militärregierung verantwortlich. Der Ehemann hatte Probleme mit der politischen Führung bekommen, wurde inhaftiert und ist schließlich nach Bolivien gekommen .«
»Das war eine schwierige Zeit .«
»Sagen Sie, Haydee, ... ich darf Sie doch so nennen ?« , fragte Anja.
Sie nickte.
»Sagen Sie, ich verstehe immer noch nicht, weshalb Sie vorhin auf mich zugekommen sind ?«
»Heute Morgen bekam ich einen Anruf von Herrn Lochner. Er sagte, dass Sie Probleme hier in Bolivien hätten und Unterstützung bräuchten ...«
»Okay, ich bin bislang langsamer vorangekommen, als ich es vorhatte. Aber erstens wurde ich von der Fluggesellschaft ausgebremst, die mein Gepäck verbaselt hat. Und zweitens hat mich das gestrige Wetter mattgesetzt. Ich glaube nicht, dass Sie beides hätten verändern können«, erklärte Anja.
»Du brauchst Dich mir gegenüber nicht zu rechtfertigen. Im Übrigen gebe ich Dir Recht. Vielleicht kann ich Dir aber doch helfen: Da ich das Land kenne, habe ich Dir gegenüber doch den einen oder anderen Vorteil. Ich will mich Dir wirklich nicht aufdrängen. Wenn du sagst, dass ich gehen soll, ist das Okay. Ja?«
»So habe ich das nicht gemeint, Haydee. Ich wehre mich nur gegen die Bevormundung von Herrn Lochner«.
»Ich verstehe Dich vollkommen. Sandra hat sich auch immer wieder darüber beklagt«
Beide starrten auf den Tisch und schwiegen. Yolanda kam an geschlurft und stellte ein Schälchen Erdnüsse zwischen sie. Sie redete kurz zu Haydee.
»Yolanda lässt fragen, ob Sie Interesse an einem richtigen bolivianischen Essen hätten ?« , wollte Haydee wissen.
»Ich glaube, wir waren - wenigstens teilweise beim ‚Du‘? !« , gab Anja zurück.
Haydee wurde rot im Gesicht. »Ich hatte gehofft, dass es nicht aufgefallen wäre. Entschuldigung«.
»Dafür nicht. Ich habe nichts dagegen und ich hätte auch nichts gegen etwas Unterstützung«
»Okay ...? Und wie ist es mit dem Essen ?«
»Was gäbe es denn ?«
»Empanada Salteña. Gefüllte Teigtaschen mit Fleisch, Rosinen, Kartoffeln, Paprika und scharfer Soße. Ich muss Dich warnen. Yolanda macht die besten Empanadas .«
»Dann lass es uns probieren .«
»Nun erzähl mal: Was ist eigentlich Dein Ziel hier in Bolivien, Anja ?«
»Mein Ziel? Ich muss Paulo Esteban Pinto Staller finden. Der lebt, soweit ich herausbekommen habe, in Chuvica, irgendwo südlich des Salar de Uyuni. Davor will ich aber noch nach Potosí. Ich benötige noch einige Informationen zu der Zeit der Militärdiktatur. Ich muss eindeutig sicher sein, dass es der richtige Herr Staller ist. Dafür habe ich schon an zwei Stellen eine Journalistin genannt bekommen, die mir weiterhelfen soll ...«
»Und wer soll das sein ?« , fragte Haydee.
»Sie heißt Maria Assunta. Sie lebt in Potosí«.
»Tut mir leid. Von der habe ich noch nichts gehört«.
Yolanda erschien mit zwei großen Tellern. Sie verteilte das Besteck. Kurz darauf brachte Sie ein Körbchen voll dampfender Empanadas, halbmondförmige, handtellergroße Teigtaschen. Der gebogene Rand, an dem die beiden Hälften zusammengedrückt wurden, war so verziert, dass es aussah, als ob sich dort eine Kordel die Empanadas entlang zog. Der wunderbare Duft stieg beiden in die Nase. Anja genoss das Essen. Sie genoss die Herzlichkeit, die Yolanda versprühte, ohne groß zu sprechen. Und sie genoss die Anwesenheit von Haydee. Sie dankte Sandra Lochner insgeheim dafür, dass sie sie zu ihrer Freundin gemacht hatte, so dass Anja jetzt davon profitieren konnte. Die gemütliche Atmosphäre ließ sie ihre Umgebung vergessen. Als
Weitere Kostenlose Bücher