Puna - Toedliche Spurensuche
weiterhilft ?«
»Kommt darauf an. Die Technologie ist die gleiche. Da hast du Recht. Aber wir sind zwischenzeitlich auf etwas anderes gestoßen .«
»Und das wäre ?«
»Frau Rütting hatte mit diesem Nathan auch E-Mail-Kontakt. Wenigstens haben wir drei oder vier Mails gefunden. Sie sind schon älteren Datums. Ich gehe davon aus, dass die meisten gelöscht sind und diese Dinger nur übersehen wurden ...«
»Und was ist da so Besonderes dran ?«
»Die Mailadressen von Nathan und Raul sind identisch ...«
Es war ungemütlich. Fast bewegungslos kauerte sie sich hin. Sie war nur noch darauf bedacht, nicht von draußen gesehen zu werden. Allmählich kroch die Kälte durch ihren Körper und nahm immer mehr von ihm in Besitz. Wie viel Zeit mochte zwischenzeitlich verstrichen sein? Eine Viertelstunde? Eine halbe Stunde?
Mittlerweile schmerzten ihre Knie. Sie wusste nicht, wie so noch länger in dieser Position ausharren sollte. Sie schlich sich wieder nach vorne zum Stollenmundloch. Es hatte aufgehört, zu regnen. Sie konnte die Straße in Richtung Potosí gut einsehen. Es war still. Kein Auto. Weder in die eine noch in die andere Richtung.
Haydee beschloss, noch eine ganze Weile so weiter zu fahren. So erhöhte die Geschwindigkeit, um den Verfolger möglichst weit von Anja wegzulocken. Sie würde ziemlich spät erst versuchen, ihn abzuschütteln oder an die Seite zu fahren. Er sollte nicht zurückfahren, um irgendjemanden zu suchen. Sie schaute in den Rückspiegel. Aber ihr Verfolger war nicht da. Sollte er mitbekommen haben, dass Anja ausgestiegen war? Haydee wagte nicht, diese Idee wirklich in Betracht zu ziehen. Sie fuhr weiter. Es blieb ruhig. Sie schaltete das Radio leise ein, um nicht das Gefühl zu haben, alleine zu sein. Eric Clapton’s Layla.
Vor ungefähr einer halben Stunde waren sie in Potosí aufgebrochen. Sie entspannte sich allmählich. »Anja wird hoffentlich mittlerweile auch einen Bus oder einen LKW angehalten haben«, dachte sie sich.
Die Straße machte eine markante Rechtskurve, so dass sie fast wieder Richtung Norden fuhr. Der Regen hatte aufgehört. Sie drosselte die Geschwindigkeit und fuhr mit ihrem gewohnten Tempo weiter. Im Scheinwerferlicht sah sie einige Steinmauern entlang der Felder. Die Richtung der Straße änderte sich wieder ein wenig mehr in Richtung Westen. Sie kannte die Strecke. Die Route 5. Vor ihr müssten gleich die Kehren auftauchen.
Haydee öffnete die Klappe über sich. Ihr Traubenzuckerdepot. Sie nahm sich eine Packung heraus. Als sie die Klappe wieder verschloss, fiel ihr Blick zufällig in den Rückspiegel. Rhythmisches und hektisches Betätigen der Lichthupe. Wie ein Schlag traf sie die Erkenntnis, dass ihr Verfolger doch noch nicht aufgegeben hatte. Der Abstand zwischen ihnen beiden wurde immer kleiner. Kurz vor der ersten Kehre der Aufprall. Haydee spürte wieder, wie sie in den Sicherheitsgurt gepresst wurde. Sie beschleunigte. Versuchte den Abstand zu vergrößern. Im Scheitelpunkt der Kehre versuchte sie, die Kurve zu schneiden und dann zu beschleunigen. Doch auf der nachfolgenden Geraden spürte sie den nächsten Aufprall. Wieder gab sie Gas, bremste vor der Kurve stark ab, lenkte mehr eckig als rund auf den Scheitelpunkt der Rechtskurve zu. Wieder beschleunigte sie. Der Toyota hinter ihr beschleunigte ebenfalls. Der Abstand verkürzte sich weiter. Auf der Geraden machte er Anstalten, zu überholen.
»Na endlich, du Idiot«, rief Haydee. Und ging etwas vom Gas, um ihn vorbei zu lassen. Der Toyota hatte schon die B-Säule passiert, als der Fahrer plötzlich nach rechts zog. Haydee nahm die Seitwärtsbewegung des Fahrers wahr und versuchte, instinktiv nach rechts auszuweichen. Sie spürte den Aufprall. Ein Knall. Der Seitenairbag wurde ausgelöst. Für einen Moment verlor sie die Kontrolle. Der Wagen brach nach rechts aus, raste auf die Kante der Schlucht zu. Haydee versuchte gegenzusteuern. Sie war der Abbruchkante bereits zu nahe gekommen. Schon im nächsten Augenblick spürte sie, dass sie die Kontrolle vollends verloren hatte. Die linken Reifen hatten keinen Kontakt mehr zum Boden. Instinktiv versuchte Haydee das Steuer noch weiter nach links zu reißen und vollendete damit die Rotationsbewegung. Rollend stürzte der Grand Vitara abwärts und blieb auf der Seite liegen.
Der Toyota stand mit laufendem Motor halb auf dem Bankett der Straße. Die Fahrertür stand offen. Der Mann in Schwarz wartete oben an der Abbruchkante und beobachtete das Autowrack.
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