Punktlandung in Sachen Liebe (German Edition)
ist ziemlich sicher, dass sie es jetzt schon versteht, und vermutet eher, dass ihre Mutter noch nicht richtig begriffen hat. Wenn man sich verbrennt, dauert es auch erst eine Weile, bis man den Schmerz spürt. In den ersten Wochen nach Weihnachten lag Hadley nachts wach und lauschte dem Weinen ihrer Mutter. Ein paar Tage lang weigerte Mom sich, überhaupt von Dad zu sprechen, und dann redete sie plötzlich von nichts anderem, es ging auf und ab, wie bei einer Wippe, bis sie eines Tages, ungefähr sechs Wochen später, plötzlich wieder normal wurde, ganz ohne Trara, und auf einmal eine einsichtige Entspanntheit zeigte, die Hadley bis heute vor Rätsel stellt.
Aber die Narben waren nicht zu übersehen. Harrison hatte Mom jetzt schon drei Mal einen Heiratsantrag gemacht, in immer kreativerer Form – ein romantisches Picknick, ein Ring in ihrem Champagnerglas und schließlich ein Streichquartett im Park – aber jedes Mal hatte sie Nein gesagt, und zwar nur, davon ist Hadley überzeugt, weil sie sich noch nicht von der Sache mit Dad erholt hat. So einen Riss kann man nicht so einfach wieder kitten, ohne dass was zurückbleibt.
Darum war Hadley heute Morgen, nur einen Flug vom Kern des Problems entfernt, mies gelaunt aufgewacht. Wäre alles glattgelaufen, hätte das bloß ein paar sarkastische Kommentare und gelegentliches Grummeln auf der Fahrt zum Flughafen nach sich gezogen. Aber morgens war als Erstes eine Nachricht von Charlotte auf ihrer Mailbox, um sie zu erinnern, wann sie zum Herrichten im Hotel sein solle, und beim Klang ihres knappen britischen Akzents hatte Hadley mit den Zähnen geknirscht, und da war der Tag im Grunde schon gelaufen.
Später hatte natürlich noch der Koffer nicht zugehen wollen, Mom hatte ihr Veto gegen die großen Strass-Ohrringe eingelegt, die sie in der Kirche tragen wollte, und hatte sie dann fünfundachtzig Mal gefragt, ob sie auch ihren Reisepass hätte. Der Toast war verbrannt, Hadley hatte Marmelade aufs Sweatshirt gekleckert, und als sie mit dem Auto zur Drogerie gefahren war, um eine Miniflasche Shampoo zu kaufen, fing es an zu regnen und ein Wischerblatt ging kaputt, schließlich musste sie an der Tankstelle eine Dreiviertelstunde hinter einem Typen warten, der nicht mal wusste, wie man am eigenen Auto den Ölstand misst. Und die ganze Zeit zuckten die Zeiger vorwärts zu dem Punkt, an dem sie aufbrechen mussten. Als sie also wieder ins Haus stampfte und den Autoschlüssel auf den Küchentisch warf, war sie nicht in der Stimmung für die sechsundachtzigste Frage nach ihrem Pass.
»Ja«, fauchte sie. » Hab ich.«
»Ich frag ja nur«, sagte Mom und zog unschuldig die Augenbrauen hoch. Hadley schaute sie aufsässig an.
»Bist du sicher, dass du mich nicht bis ins Flugzeug begleiten willst?«
»Was soll das denn bedeuten?«
»Vielleicht solltest du mich sogar bis nach London begleiten, damit ich auch ganz bestimmt hingehe.«
Moms Stimme bekam einen warnenden Unterton. »Hadley.«
»Ich meine, wieso soll ausgerechnet ich mir angucken, wie er diese Frau heiratet? Ich verstehe nicht, wieso ich da überhaupt hin soll, und erst recht nicht allein.«
Mom schob die Lippen vor, aus ihrer Miene sprach eindeutig Enttäuschung, aber Hadley war das ziemlich egal.
Später legten sie den gesamten Weg zum Flughafen in störrischem Schweigen zurück, die Nachwehen ihres seit Wochen schwelenden Streits. Und als sie vor dem Abflugterminal anhielten, schien jeder Körperteil Hadleys vor nervöser Energie zu kribbeln.
Mom stellte den Motor ab, aber keine von beiden machte Anstalten, aus dem Wagen zu steigen.
»Es wird alles gut«, sagte Mom nach einer Weile mit sanfter Stimme. »Wirklich.«
Hadley fuhr herum. »Er heiratet , Mom. Wie kann da alles gut werden?«
»Ich finde es einfach wichtig, dass du dabei bist –«
»Ja, ich weiß«, schnitt sie ihrer Mutter scharf das Wort ab. »Das hast du bereits erwähnt.«
»Es wird alles gut«, sagte Mom noch einmal.
Hadley schnappte sich ihr Sweatshirt und löste den Sicherheitsgurt. »Okay, dann bist du schuld, wenn was passiert.«
»Was soll denn passieren?«, fragte Mom müde. Hadley stieß die Beifahrertür auf. In ihr brannte eine Wut, durch die sie sich unbesiegbar und gleichzeitig jung und verletzlich fühlte.
»Wenn zum Beispiel mein Flugzeug abstürzt oder so was«, sagte sie, ohne genau zu wissen, wieso. Sie war einfach verbittert, frustriert und verängstigt – sagt man solche Sachen nicht meistens deshalb? »Dann hast du
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