Punktlandung in Sachen Liebe (German Edition)
wirft einen Blick auf die Bildschirme mit den Ankunfts- und Abflugszeiten. Viele der grünen Buchstaben blinken und zeigen Verspätungen oder Streichungen an.
»Wir haben immer noch ein bisschen Zeit«, sagt Oliver, und Hadley seufzt.
»Ich weiß, aber ich habe meinen ersten Flug verpasst, und darum kommt es mir ein bisschen vor wie eine aufgeschobene Hinrichtung.«
»Du hättest eigentlich den vorigen nehmen sollen?«
Sie nickt.
»Wann ist denn die Hochzeit?«
»Zwölf Uhr mittags«, sagt sie, und er verzieht das Gesicht.
»Das wird knapp.«
»Hab ich auch schon gehört«, sagt sie. »Und wann ist deine?«
Er senkt den Blick. »Ich muss um zwei in der Kirche sein.«
»Dann hast du ja kein Problem.«
»Nein«, sagt er. »Wahrscheinlich nicht.«
Sie starren schweigend auf die Tischplatte, bis aus Olivers Hosentasche ein gedämpftes Telefonklingeln ertönt. Er zieht es hervor und starrt eindringlich darauf, während es weiterklingelt, dann hat er anscheinend eine Entscheidung getroffen und steht unvermittelt auf.
»Ich glaube, ich muss rangehen«, sagt er zu ihr und entfernt sich vom Tisch. »Entschuldige.«
Hadley wedelt mit der Hand. »Schon in Ordnung«, sagt sie. »Geh ruhig.«
Sie sieht ihm hinterher, wie er sich mit dem Handy am Ohr durch die volle Halle schlängelt. Er hat den Kopf eingezogen, und irgendwie wirkt er geduckt, die Linie der Schultern, die Biegung des Halses, eine unauffälligere Ausgabe des Olivers, mit dem sie geredet hat, und sie fragt sich, wer wohl am Telefon sein mag. Ihr fällt ein, dass es natürlich seine Freundin sein könnte, eine wunderschöne und hochbegabte Yale-Studentin mit modischer Brille und Cabanjacke, die niemals so chaotisch wäre, einen Flug um vier Minuten zu verpassen.
Hadley ist selbst überrascht, wie schnell sie den Gedanken beiseiteschiebt.
Als sie auf ihr eigenes Handy schaut, fällt ihr ein, dass sie wahrscheinlich ihre Mutter anrufen und ihr von der Flugänderung erzählen sollte. Doch beim Gedanken an ihre Verabschiedung vorhin wird ihr flau im Magen: die Fahrt zum Flughafen in eisigem Schweigen, und dann Hadleys gnadenloser Spruch vor der Sicherheitsschleuse. Sie weiß, dass sie dazu neigt, den Mund zu voll zu nehmen – Dad hat immer gescherzt, sie sei ohne den üblichen Filter geboren worden –, aber wer konnte schon erwarten, dass sie sich ausgerechnet an dem Tag, vor dem sie sich seit Monaten fürchtet, vollkommen vernünftig verhält?
Als sie heute Morgen aufgewacht ist, war sie am ganzen Körper verspannt. Nacken und Schultern schmerzten, im Hinterkopf pochte es dumpf. Es war nicht bloß wegen der Hochzeit oder der Tatsache, dass sie bald Charlotte gegenübertreten musste, deren Existenz sie bisher so angestrengt ausgeblendet hatte; es lag auch daran, dass dieses Wochenende das offizielle Ende ihrer Familie bedeutete.
Hadley weiß, dass das Leben kein Disney-Familienfilm ist. Ihre Eltern werden nie wieder zusammenkommen. In Wirklichkeit will sie das auch gar nicht mehr. Dad ist offensichtlich glücklich, und Mom anscheinend auch, größtenteils. Sie ist jetzt schon seit über einem Jahr mit Harrison Doyle liiert, dem örtlichen Zahnarzt. Trotzdem wird diese Hochzeit einen Punkt an das Ende eines Satzes setzen, der noch nicht zu Ende sein sollte, und Hadley will eigentlich nicht unbedingt dabei sein, wie das passiert.
Aber letztlich hat sie keine Wahl gehabt.
»Er ist immer noch dein Vater«, hat Mom immer wieder gesagt. »Natürlich ist er nicht vollkommen, aber für ihn ist es wichtig, dass du dabei bist. Es ist doch bloß ein Tag. Das ist wirklich keine übertriebene Bitte.«
Aber Hadley hat das Gefühl, dass er sie die ganze Zeit um alles Mögliche bittet: um Vergebung, um mehr gemeinsame Zeit, um eine faire Chance für Charlotte. Ständig bittet er um dies und das und jenes, und nie hat er selbst etwas zu geben. Am liebsten hätte sie ihre Mutter an den Schultern gepackt, um ihr Verstand ins Hirn zu schütteln. Er hatte ihr Vertrauen gebrochen, er hatte Moms Herz gebrochen, er hatte ihre Familie zerbrochen. Und jetzt würde er einfach diese Frau heiraten, als ob das alles keine Rolle spielte. Als wäre es viel einfacher, ganz neu anzufangen, als die Scherben wieder zusammenzukleben.
Mom bestand darauf, dass es so besser sei. Für sie alle. »Ich weiß, das ist schwer zu glauben«, sagte sie so besonnen, dass es einen wahnsinnig machte, »aber es ist am besten so. Wirklich. Wenn du älter bist, wirst du das verstehen.«
Hadley
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