Punktlandung in Sachen Liebe (German Edition)
nicht.«
»Entschuldige«, sagt sie wieder, aber er winkt ab.
»Du hast sehr friedlich ausgesehen.«
»Ich fühle mich aber nicht friedlich«, sagt sie. »Aber ist wahrscheinlich ganz gut, dass ich jetzt geschlafen habe, dann schlafe ich nicht morgen in der Kirche ein.«
Oliver schaut auf seine Uhr. »Du meinst heute.«
»Stimmt«, sagt sie und verzieht das Gesicht. »Ich bin Brautjungfer.«
»Das ist doch nett.«
»Nicht, wenn ich den Gottesdienst verpasse.«
»Na ja, es gibt ja noch den Empfang.«
»Richtig.« Sie gähnt wieder. »Ich kann’s kaum erwarten, allein irgendwo zu sitzen und meinen Vater mit einer Frau tanzen zu sehen, die ich noch gar nicht kenne.«
»Du hast sie noch nie gesehen?«, fragt Oliver, und seine britische Aussprache zieht die letzten Worte nach oben.
»Nö.«
»Wow«, sagt er. »Ihr steht euch also nicht besonders nahe?«
»Du meinst, Dad und ich? Doch, früher schon.«
»Und dann?«
»Dann hat dein blödes Land ihn verschluckt.«
Oliver lacht unsicher.
»Er ist für ein Semester als Gastprofessor nach Oxford gegangen«, erklärt Hadley. »Und nie zurückgekommen.«
»Wann?«
»Vor fast zwei Jahren.«
»Und da hat er diese Frau kennengelernt?«
»Bingo.«
Oliver schüttelt den Kopf. »Das ist ja furchtbar.«
»Ja«, sagt Hadley, auch wenn das Wort viel zu schwach ist, um auch nur annähernd auszudrücken, wie furchtbar es war, wie furchtbar es immer noch ist . Aber obwohl sie die Langversion der Geschichte schon tausend Mal tausend verschiedenen Leuten erzählt hat, hat sie das Gefühl, dass Oliver sie besser versteht als irgendjemand sonst. Es liegt an der Art, wie er sie ansieht, wie seine Augen ein sauberes kleines Loch in ihr Herz bohren. Sie weiß, das ist Einbildung, nur eine Illusion von Nähe, der Flüsterton und das verdunkelte Flugzeug gaukeln ihr die Vertrautheit nur vor, aber das ist ihr egal. Im Augenblick jedenfalls fühlt es sich echt an.
»Du musst doch total fertig gewesen sein«, sagt er. »Und deine Mutter auch.«
»Zuerst, ja. Sie ist kaum aus dem Bett gekommen. Aber ich glaube, sie hat sich schneller davon erholt als ich.«
»Wie das?«, fragt er. »Wie erholt man sich denn von so was ?«
»Keine Ahnung«, sagt Hadley wahrheitsgemäß. »Sie glaubt wirklich, dass es so besser für sie beide ist. Dass es eigentlich so kommen musste. Sie hat jemand anderen kennengelernt, er hat eine Neue, jetzt sind sie beide glücklicher. Bloß ich bin nicht so begeistert. Vor allem nicht davon, seine Neue kennenzulernen.«
»Auch wenn sie nicht mehr ganz so neu ist.«
»Gerade weil sie nicht mehr ganz so neu ist. Dadurch wird es zehn Mal angespannter und unangenehmer, und das ist das Letzte, was ich brauche. Ich sehe dauernd vor mir, wie ich ganz allein beim Empfang reinkomme und mich alle anstarren. Die melodramatische amerikanische Tochter, die sich geweigert hat, ihre neue Stiefmutter kennenzulernen.« Hadley zieht die Nase kraus. »Stiefmutter. Oh Gott.«
Oliver runzelt die Stirn. »Ich finde es tapfer.«
»Was?«
»Dass du hinfährst. Dass du dich stellst. Dass du den Schritt machst, dich überwindest. Das ist tapfer.«
»Es fühlt sich aber nicht so an.«
»Das kommt, weil du grade mittendrin steckst«, sagt er. »Aber du wirst schon sehen.«
Sie schaut ihn eindringlich an. »Und was ist mit dir?«
»Was soll mit mir sein?«
»Ich nehme an, du hast nicht halb so viel Angst vor deiner Feier wie ich vor meiner?«
»Da wäre ich nicht so sicher«, sagt er steif. Eben noch war er ganz nah, hat seinen Körper zu ihr rübergebeugt, doch jetzt rückt er wieder von ihr ab, nur ein wenig, aber genug, dass sie es bemerkt.
Hadley lehnt sich so weit vor, wie er zurückweicht, als wären sie durch eine unsichtbare Kraft verbunden. Die Hochzeit ihres Vaters ist kein sehr erfreuliches Thema für sie, das hat sie ihm doch erklärt, oder? »Und siehst du denn deine Eltern, wenn du zu Hause bist?«
Er nickt.
»Das ist schön«, sagt sie. »Kommt ihr gut miteinander aus?«
Er macht den Mund auf, klappt ihn aber wieder zu, als der Getränkewagen den Gang entlangkommt, in dem die Dosen aneinanderscheppern, die Flaschen klirren. Als die Flugbegleiterin an ihnen vorbei ist, stellt sie die Bremse fest und wendet ihnen den Rücken zu, um Bestellungen aufzunehmen.
Es geht schnell, so schnell, dass Hadley es beinahe gar nicht mitkriegt: Oliver holt eine Münze aus der Hosentasche und schnippt sie mit dem Daumen in den Gang. Dann beugt er sich über die schlafende
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