Punktlandung in Sachen Liebe (German Edition)
Dame, greift mit der Linken nach der Münze, schiebt die Rechte in den Wagen und zieht sie mit zwei Minifläschchen Jack Daniel’s in der Faust wieder heraus. Die steckt er mit der Münze in die Tasche, Sekunden bevor die Flugbegleiterin sich wieder zu ihnen umdreht.
»Kann ich Ihnen etwas anbieten?«, fragt sie und lässt den Blick über Hadleys erschreckte Züge, Olivers errötete Wangen und die immer noch kräftig schnarchende alte Dame am Ende der Reihe schweifen.
»Mir nicht, nein«, bekommt Hadley heraus.
»Mir auch nicht«, sagt Oliver. »Aber vielen Dank.«
Als sie mit ihrem Wagen wieder in sicherer Entfernung ist, starrt Hadley ihn mit offenem Mund an. Er holt die Fläschchen aus der Tasche und reicht ihr eins, dreht achselzuckend den Verschluss des anderen auf.
»Entschuldige«, sagt er. »Ich dachte nur, wenn wir schon unsere Familiengeschichten ausbreiten, könnte ein Schluck Whiskey nicht schaden.«
Hadley schaut die Flasche in ihrer Hand ungläubig an. »Bist du scharf auf Strafarbeit, oder was?«
Oliver lächelt. »Zehn Jahre Arbeitslager?«
»Ich dachte mehr an Abwaschen oder so was«, scherzt sie und gibt ihm die Flasche zurück. »Oder vielleicht Gepäck schleppen.«
»Ich nehme an, dazu wirst du mich ohnehin zwingen«, sagt er. »Keine Sorge, ich lasse vorm Aussteigen einen Zehner auf dem Sitz liegen. Ich bin zwar schon achtzehn und wir sind inzwischen bestimmt dichter an London als an New York, aber ich wollte jetzt keinen Stress. Magst du Whiskey?«
Hadley schüttelt den Kopf.
»Hast du schon mal welchen probiert?«
»Nein.«
»Dann versuch’s mal«, sagt er und bietet ihr die kleine Flasche erneut an. »Nur einen Schluck.«
Sie schraubt die Flasche auf, führt sie an den Mund und zieht schon vom Geruch eine Grimasse: scharf, rauchig, viel zu stark. Die Flüssigkeit brennt beim Schlucken in der Kehle, sie hustet heftig, Tränen steigen ihr in die Augen, dann schraubt sie den Deckel wieder zu und gibt ihm die Flasche zurück.
»Schmeckt wie am Lagerfeuer lecken«, sagt sie und verzieht noch mal das Gesicht. »Das ist ja widerlich.«
Oliver lacht und trinkt seinen Whiskey aus.
»Okay, jetzt hast du also deinen Whiskey gekriegt«, sagt sie. »Heißt das, jetzt können wir über deine Familie reden?«
»Wieso interessiert sie dich?«
»Wieso denn nicht?«
Er seufzt, was fast schon wie ein Stöhnen klingt. »Mal sehen«, sagt er schließlich. »Ich habe drei ältere Brüder –«
»Die leben alle noch in England?«
»Richtig. Drei ältere Brüder, die alle noch in England leben.« Er schraubt den Deckel der zweiten Flasche wieder auf. »Was noch? Mein Vater war nicht sehr froh, als ich mich für Yale statt Oxford entschieden habe, aber meine Mutter hat sich richtig gefreut, sie hat nämlich auch in Amerika studiert.«
»Ist er deshalb zum Semesteranfang nicht mit rübergekommen?«
Oliver wirft ihr einen gequälten Blick zu. Er sieht aus, als wäre er lieber überall anders als hier, und trinkt den letzten Schluck Whiskey aus. »Du stellst aber wirklich viele Fragen.«
»Ich habe dir erzählt, dass mein Vater uns wegen einer anderen Frau verlassen hat und dass ich ihn seit über einem Jahr nicht gesehen habe«, sagt sie. »Mal ehrlich: Ich kann mir kaum vorstellen, dass du noch ein schlimmeres Familiendrama zu bieten hast.«
»Das hast du mir gar nicht erzählt«, sagt er. »Dass du ihn so lange nicht gesehen hast. Du hast bloß gesagt, sie hast du noch nicht getroffen.«
Jetzt ist Hadley an der Reihe, nervös hin und her zu rutschen. »Wir telefonieren miteinander«, sagt sie. »Aber ich bin immer noch zu sauer, um ihn zu sehen.«
»Weiß er das?«
»Dass ich sauer bin?«
Oliver nickt.
»Natürlich«, sagt sie und neigt dann den Kopf in seine Richtung. »Aber wir reden jetzt nicht über mich, vergessen?«
»Ich finde es bloß interessant«, sagt er, »dass du so offen damit umgehst. In meiner Familie ist ständig irgendwer wegen irgendwas sauer, aber kein Mensch redet ein Wort darüber.«
»Vielleicht wäre es besser für euch, wenn ihr es tätet.«
»Vielleicht.«
Hadley fällt auf, dass sie flüstern und sich im Schein der Leselampe des Passagiers vor ihnen nah zueinander beugen. Es fühlt sich fast so an, als wären sie allein, als könnten sie sonst wo sitzen, irgendwo auf einer Parkbank oder in einem Restaurant, Kilometer tiefer, die Füße fest auf dem Boden. Sie ist ihm so nah, dass sie eine kleine Narbe über seinem Auge sehen kann, den Anflug von Bart an
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