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Punktlandung in Sachen Liebe (German Edition)

Punktlandung in Sachen Liebe (German Edition)

Titel: Punktlandung in Sachen Liebe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer E. Smith
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einen Goldzahn. »Da fahren Sie in die völlig falsche Richtung.«
    Hadley stöhnt auf. »Und können Sie mir sagen, wo die völlig richtige Richtung ist?«
    Er lässt sie in der Nähe von Westminster raus und erklärt ihr, wie man mit der U-Bahn nach Paddington kommt. Auf dem Bürgersteig bleibt sie einen Moment stehen. Ihr Blick wandert zum Himmel hinauf, wo sie zu ihrer Überrraschung ein Flugzeug dahinfliegen sieht, und der Anblick beruhigt sie irgendwie. Auf einmal sitzt sie wieder auf Platz 18 A neben Oliver, hängt überm Wasser in der Luft, umgeben von nichts als Dunkelheit.
    Jetzt und hier an der Straßenecke erscheint es ihr wie ein Wunder, dass sie ihn überhaupt getroffen hat. Sie stellt sich vor, sie wäre pünktlich zu ihrem eigentlichen Flug gewesen. Oder sie hätte die ganze Zeit neben jemand anderem gesessen, einem Wildfremden, der auch nach so vielen Flugmeilen noch fremd geblieben wäre. Die Vorstellung, dass ihre Wege sich ebenso gut nicht hätten kreuzen können, raubt Hadley kurz den Atem, wie bei einem Beinahe-Unfall auf der Autobahn, und sie kann nur staunen über die ungeheure Zufälligkeit des Ganzen. Wie jeder glückliche Überlebende spürt sie einen plötzlichen Dankbarkeitsschub, halb Adrenalin, halb Hoffnung.
    Sie bahnt sich ihren Weg durch die vollen Straßen Londons und hält dabei die Augen offen nach dem U-Bahnhof. Die Stadt ist irgendwie krumm und schief, überall kurvige Alleen und gewundene Gassen, wie ein großes viktorianisches Labyrinth. Es ist ein wunderschöner Samstag im Sommer, und die Bürgersteige sind voller Menschen, die Einkaufstaschen vom Markt nach Hause tragen, Kinderwagen schieben, Hunde spazieren führen oder in Richtung Park joggen. Sie überholt einen Jungen, der das gleiche blaue Hemd trägt wie Oliver vorhin, und ihr Herz schlägt schneller.
    Zum ersten Mal bereut Hadley, ihren Vater nicht hier besucht zu haben, allein wegen dieser Atmosphäre: die alten, charaktervollen Gebäude, die Straßenstände, die roten Telefonzellen, die schwarzen Taxis, die steinernen Kirchen. Alles in dieser Stadt kommt ihr alt, aber ganz bezaubernd vor, wie aus einem Film, und müsste sie nicht von einer Hochzeit zu einer Trauerfeier und wieder zurück eilen, wäre sie im Augenblick nicht so angespannt, würde sich nicht jeder Knochen ihres Körpers schmerzhaft nach Oliver sehnen, könnte sie sich sogar vorstellen, längere Zeit hier zu verbringen.
    Endlich entdeckt Hadley das blaurote U-Bahn-Zeichen und hastet die Treppe hinunter, blinzelt ins Dunkel unter der Erde. Sie braucht zu lange, um die Fahrkartenautomaten zu begreifen, und sie spürt, wie die Schlange hinter ihr unruhig wird. Schließlich erbarmt sich eine ältere Dame, die ein wenig nach der Queen aussieht, und erklärt ihr zunächst, aus welchen Möglichkeiten sie wählen kann, schiebt Hadley dann beiseite und erledigt es selbst.
    »Bitte sehr, Liebes«, sagt sie und reicht Hadley das Ticket. »Gute Fahrt.«
    Der Busfahrer hatte ihr gesagt, sie müsse wahrscheinlich irgendwo umsteigen, aber so weit sie auf dem Plan sehen kann, dürfte die Circle Line sie direkt hinbringen. Eine digitale Anzeige teilt ihr mit, dass die U-Bahn in sechs Minuten eintreffen wird, also schiebt sie sich auf ein freies Plätzchen am Bahnsteig und wartet.
    Ihr Blick wandert zu den Werbeplakaten an den Wänden, während sie den verschiedenen britischen Akzenten um sie herum lauscht. Aber auch Französisch und Italienisch ist dabei und andere Sprachen, die sie nicht mal erkennt. In der Nähe steht ein Polizist mit einer Art altmodischem Helm, ein Mann wirft einen Fußball von einer Hand in die andere. Ein kleines Mädchen fängt an zu weinen, die Mutter beugt sich zu ihr herunter und ermahnt sie in einer harschen, kehligen Sprache. Das Mädchen fängt noch lauter an zu schluchzen.
    Niemand schaut Hadley an, nicht ein einziger Mensch, aber trotzdem fühlt sie sich so sichtbar wie noch nie im Leben: zu klein, zu amerikanisch, zu offensichtlich allein und zu unsicher.
    Sie will nicht an Dad und die Hochzeit denken, die sie hinter sich gelassen hat, und sie weiß nicht genau, ob sie an Oliver denken will, und an das, was sie womöglich erwartet, wenn sie ihn findet. Der Zug kommt erst in vier Minuten, und ihr Herz hämmert. Der seidige Stoff ihres Kleides klebt ihr am Körper und die Frau neben ihr rückt ihr zu dicht auf die Pelle. Es riecht muffig hier, abgestanden und säuerlich zugleich, wie verdorbenes Obst in einem geschlossenen Behälter und

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