Punktlandung in Sachen Liebe (German Edition)
werfen wie früher als Kind. Aber es kommt ihr so vor, als habe sie dazu nicht mehr das Recht; sie ist noch zu verstört vom Tempo der Entwicklung, von der schieren Distanz, die sie an einem einzigen Tag überwunden haben, nachdem so lange Stillstand herrschte.
Dad scheint sie zu verstehen, denn er rührt sich als Erster. Er legt ihr den Arm um die Schultern und führt sie zu ihrem Tisch zurück. So an seine Seite geschmiegt, wie tausend Mal zuvor – auf dem Weg zum Auto nach einem Fußballspiel, am Ende des alljährlichen Vater-Tochter-Balls der Pfadfinderinnen – wird Hadley klar, dass zwar alles Mögliche anders geworden ist, dass zwar ein Ozean zwischen ihnen liegt, dass sich aber nichts wirklich Wichtiges geändert hat.
Er ist immer noch ihr Vater. Alles andere ist bloß Geografie.
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18:10
EASTERN STANDARD TIME
23:10
GREENWICH MEAN TIME
So wie Hadleys Klaustrophobie oft auch die größten Räume klein machen kann, so gelingt es diesem Hochzeitsempfang – ob es nun an der Musik oder am Tanzen liegt, oder vielleicht auch nur am Champagner – die Stunden zu einer Handvoll Minuten zusammenschnurren zu lassen. Es kommt ihr vor wie eine Schnittfolge im Film, wo alles beschleunigt wird, Szenen zu Schnappschüssen, Gespräche zu Augenblicken werden.
Während des Essens halten Monty und Violet ihre Trauzeugen-Reden – seine von Gelächter unterbrochen, ihre von Tränen – und Hadley beobachtet Dad und Charlotte, wie sie zuhören, wie ihre Augen glänzen. Später, nachdem die Torte angeschnitten worden ist und Charlotte sich erfolgreich Dads Versuchen entzogen hat, ihr die weiße Buttercreme heimzuzahlen, die sie ihm an die Nase geschmiert hat, wird weiter getanzt. Als der Kaffee serviert wird, sitzen sie alle erschlafft am Tisch, die Wangen rot, die Füße schmerzend. Dad ist eingekeilt zwischen Hadley und Charlotte, die ihm – zwischen Champagnerschlucken und kleinen Tortenbissen – ständig forschende Blicke zuwirft.
»Habe ich noch was im Gesicht?«, fragt er schließlich.
»Nein, ich frage mich nur, ob zwischen euch beiden alles okay ist«, gibt sie zu. »Nach eurer Diskussion auf der Tanzfläche.«
»Sah das aus wie eine Diskussion?«, fragt Dad grinsend. »Sollte eigentlich ein Walzer sein. Habe ich die falschen Schritte gemacht?«
Hadley verdreht die Augen. »Er hat mir mindestens ein Dutzend Mal auf die Zehen getrampelt«, sagt sie zu Charlotte. »Aber ansonsten ist zwischen uns alles bestens.«
Dad klappt in gespieltem Zorn die Kinnlade herunter. »Auf keinen Fall war das öfter als zwei Mal.«
»Tut mir leid, Schatz«, sagt Charlotte. »In diesem Fall muss ich Hadley beipflichten. Meine armen, geschundenen Zehen sprechen für sich.«
»Gerade mal ein paar Stunden verheiratet, und schon bist du anderer Meinung?«
Charlotte lacht. »Ich verspreche dir, ich werde anderer Meinung sein, bis dass der Tod uns scheidet, Liebster.«
Auf der anderen Tischseite hebt Violet ihr Glas und schlägt leicht mit dem Löffel dagegen, und als das Geklingel sich ausweitet, küssen Dad und Charlotte sich schon wieder, trennen sich erst, als sie merken, dass ein Kellner hinter ihnen darauf wartet, ihre Teller abzuräumen.
Nachdem auch ihr Gedeck abgeräumt ist, schiebt Hadley ihren Stuhl zurück und greift nach ihrer Handtasche. »Ich muss mal frische Luft schnappen«, verkündet sie.
»Fühlst du dich nicht gut?«, fragt Charlotte, und Monty zwinkert ihr über sein Champagnerglas zu, als wollte er sagen, er habe sie ja vorm Trinken gewarnt.
»Mir geht’s gut«, sagt Hadley rasch. »Ich bin gleich wieder da.«
Dad lehnt sich mit wissendem Lächeln nach hinten. »Grüß deine Mutter von mir.«
»Was?«
Er deutet mit dem Kopf auf ihre Handtasche. »Bestell ihr einfach schöne Grüße.«
Hadley grinst verlegen und überrascht, weil sie so leicht zu durchschauen ist.
»Jawohl, ich habe ihn noch«, sagt er. »Den väterlichen sechsten Sinn.«
»Du bist längst nicht so schlau, wie du denkst«, neckt Hadley ihn und wendet sich an Charlotte. »Du wirst bestimmt besser darin sein. Glaub mir.«
Dad legt seiner frischgebackenen Ehefrau den Arm um die Schultern und lächelt zu Hadley auf. »Ja«, sagt er und küsst Charlotte auf die Schläfe. »Davon bin ich auch überzeugt.«
Beim Weggehen hört Hadley schon, wie er den Tischnachbarn Geschichten aus ihrer Kindheit vorsetzt, wie oft er sie gerettet hat, wie oft er ihren Katastrophen nur einen Schritt voraus war. Einmal dreht sie sich noch um, und
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