Punktlandung in Sachen Liebe (German Edition)
Junge kommt näher und setzt sich neben sie.
Am Himmel will einer der Sterne nicht stillstehen, und Hadley merkt, dass es in Wirklichkeit ein Flugzeug ist. Erst letzte Nacht waren sie beide dieser Stern.
Zunächst redet keiner von beiden. Oliver setzt sich ein Stückchen von ihr weg und schaut vor sich hin, bis sie aufhört zu weinen, und dafür ist Hadley dankbar, denn es fühlt sich an, als würde er sie irgendwie verstehen.
»Ich glaube, du hast was liegenlassen«, sagt er schließlich und tippt auf das Buch in seinem Schoß. Als sie nicht antwortet, sondern sich nur die Augen wischt und schnieft, dreht er sich endlich zu ihr um. »Alles in Ordnung?«
»Ich fasse es nicht, wie oft ich heute schon geweint habe.«
»Ich auch«, sagt er, und sofort fühlt sie sich furchtbar, weil er natürlich viel eher Anlass zu weinen hat als sonst jemand.
»Das tut mir leid«, sagt sie leise.
»Na ja, wir hätten es ja vorher wissen können«, sagt er mit leichtem Lächeln. »Die alte Redensart sagt ja, dass man nie ohne Schnupftuch zu Hochzeiten und Beerdigungen gehen soll.«
Trotz allem muss Hadley lachen. »Schnupftuch? Den Ratschlag habe ich bestimmt noch nie gehört. Vielleicht eher ein Kleenex.«
Sie schweigen wieder, aber nicht mehr so angespannt wie vorhin bei der Kirche. Ein paar Autos fahren vorm Hoteleingang vor, die Reifen rumpeln, die Scheinwerfer streichen über sie hinweg und sie müssen die Augen zukneifen.
»Alles okay bei dir?«, fragt Hadley, und er nickt.
»Wird schon wieder.«
»Ist es denn ganz gut gelaufen?«
»Schätze schon«, sagt er. »Für eine Beerdigung.«
»Klar.« Hadley schließt die Augen. »Entschuldige.«
Er wendet sich wieder ihr zu, nur ein bisschen, sein Knie streift ihres. »Ich muss mich auch entschuldigen. Dieser ganze Kram über meinen Vater vorhin …«
»Du warst eben aufgebracht.«
»Ich war wütend.«
»Du warst traurig.«
»Ja, traurig auch«, stimmt er zu. »Bin ich immer noch.«
»Er war dein Vater.«
Oliver nickt wieder. »Ein bisschen wünsche ich mir, ich wäre mehr wie du gewesen. Hätte den Mut gehabt, ihm meine Meinung zu sagen, ehe es zu spät war. Vielleicht wäre dann alles anders gelaufen. So viele Jahre, ohne zu reden …« Seine Stimme verebbt, er schüttelt den Kopf. »Kommt mir vor wie totale Verschwendung.«
»Es ist nicht deine Schuld«, sagt Hadley. Ihr fällt auf, dass sie nicht mal weiß, wie Olivers Vater gestorben ist, nur dass es plötzlich geschehen sein muss. »Du hättest einfach noch mehr Zeit mit ihm haben müssen.«
Oliver löst seinen Krawattenknoten. »Ich weiß nicht, ob das was geändert hätte.«
»Doch, hätte es«, beharrt sie mit belegter Stimme. »Es ist einfach nicht fair.«
Er schaut in die andere Richtung und zwinkert heftig.
»Es ist wie mit dem Nachtlicht«, sagt sie, und obwohl er den Kopf schüttelt, spricht sie weiter. »Vielleicht kommt es gar nicht so sehr darauf an, dass er zuerst nicht helfen wollte. Sondern, dass er seine Meinung schließlich doch geändert hat.« Den letzten Satz sagt sie sehr sanft: »Vielleicht hättet ihr beide bloß mehr Zeit gebraucht, euch anzunähern.«
»Weißt du was: Es ist immer noch da«, sagt Oliver nach einer kurzen Pause. »Das Nachtlicht. Als ich zum Studienbeginn ausgezogen bin, haben sie aus meinem Zimmer ein Gästezimmer gemacht, und die meisten von meinen Sachen sind auf dem Dachboden. Aber als ich heute Morgen meine Taschen abstellte, habe ich es gesehen. Ich wette, es funktioniert gar nicht mehr.«
»Ich wette dagegen«, sagt sie, und Oliver lächelt.
»Danke.«
»Wofür?«
»Hierfür«, sagt er. »Der Rest meiner Familie ist zu Hause, aber ich hatte das Gefühl, da kann ich nicht mehr atmen. Ich brauchte ein bisschen frische Luft.«
Hadley nickt. »Ich auch.«
»Ich brauchte …« Wieder bricht er ab und wirft ihr einen Blick zu. »Ist es okay, dass ich da bin?«
»Natürlich«, sagt sie ein bisschen zu schnell. »Erst recht, nachdem ich …«
»Nachdem du was?«
»Vorhin in eure Trauerfeier geplatzt bin«, sagt sie und krümmt sich noch ein bisschen bei der Erinnerung daran. »Und du warst ja nicht allein.«
Er schaut einen Moment ernst auf seine Schuhe, ehe der Groschen fällt. »Ach so«, sagt er. »Das war bloß meine Ex-Freundin. Sie kannte meinen Vater. Und sie hat sich Sorgen um mich gemacht. Aber sie war bloß als Freundin der Familie da. Echt.«
Erleichterung überfällt Hadley. Bis jetzt ist ihr gar nicht bewusst gewesen, wie sehr sie sich
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