Punktlandung in Sachen Liebe (German Edition)
Gepäckausgabe.«
»Wie einen verlorenen Socken.«
»Ach, Schätzchen«, scherzt Mom. »Du bist eher ein ganzer Koffer. Und verloren bist du auch nicht.«
Hadleys Stimme wird wieder ganz leise. »Und wenn doch?«
»Dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis du gefunden wirst.«
Das Handy piept zwei Mal, und sie nimmt es einen Augenblick vom Ohr. »Mein Akku ist so gut wie alle«, sagt sie dann.
»Deiner oder der vom Handy?«
»Beide. Also, was machst du denn heute Abend ohne mich?«
»Harrison will mich zu irgendeinem blöden Baseballspiel mitnehmen. Er ist schon die ganze Woche total aufgeregt deswegen.«
Hadley richtet sich auf. »Mom, er wird dir wieder einen Heiratsantrag machen.«
»Was? Nein.«
»Aber hundertprozentig. Ich wette, er lässt es auf die Anzeigetafel schreiben oder so.«
Mom stöhnt auf. »Auf keinen Fall. So was würde er nicht machen.«
»Doch, würde er«, lacht Hadley. »Genau so was würde er machen.«
Jetzt kichern sie beide, keine kann vor Lachen mehr einen Satz zu Ende sprechen, und Hadley gibt sich der Fröhlichkeit hin, blinzelt die Tränen weg. Ein wunderbares Gefühl: Nach einem solchen Tag ist sie für jeden Anlass zu Gelächter dankbar.
»Kann man sich was Kitschigeres vorstellen?«, fragt Mom schließlich nach Luft schnappend.
»Ganz sicher nicht«, antwortet Hadley und zögert kurz. »Aber Mom?«
»Ja?«
»Ich finde, du solltest Ja sagen.«
»Was?« Moms Stimme ist ein paar Oktaven zu hoch. »Was ist denn mit dir los? Da gehst du zu einer Hochzeit, und schon willst du auch mich unter die Haube bringen?«
»Er liebt dich«, sagt Hadley schlicht. »Und du liebst ihn.«
»Es ist schon ein bisschen komplizierter.«
»Ist es eigentlich nicht. Du musst bloß Ja sagen.«
»Und dann? Wenn sie nicht gestorben sind …?«
Hadley lächelt. »So in der Art.«
Wieder piept ihr Handy, diesmal drängender.
»Unsere Zeit ist so gut wie abgelaufen«, sagt sie, und Mom lacht wieder, aber diesmal mit etwas müdem Unterton.
»Ist das ein Wink mit dem Zaunpfahl?«
»Wenn es dir hilft, das Richtige zu tun?«
»Seit wann bist du denn so erwachsen?«
Hadley zuckt die Achseln. »Da habt ihr wohl gute Arbeit geleistet, du und Dad.«
»Ich hab dich lieb«, sagt Mom leise.
»Ich dich auch«, sagt Hadley, und im nächsten Augenblick, fast wie geplant, ist die Leitung tot. Sie bleibt noch eine Minute so sitzen, dann lässt sie das Handy sinken und starrt hinüber zu den steinernen Reihenhäusern auf der anderen Straßenseite.
In einem der oberen Fenster geht das Licht an, und sie erkennt die Silhouette eines Mannes, der seinen aufgewachten Sohn zurück ins Bett bringt, die Decke hochzieht, sich vorbeugt, um ihm einen Kuss auf die Stirn zu geben. Bevor er aus dem Zimmer geht, geht seine Hand zum Lichtschalter, und das Zimmer liegt wieder im Dunkeln. Hadley denkt an Olivers Geschichte und fragt sich, ob dieser Junge wohl auch ein Nachtlicht bräuchte, oder ob der Gutenachtkuss seines Vaters ausreicht, ihn einschlafen zu lassen, ohne Albträume, ohne Monster oder Gespenster.
Sie schaut immer noch zum dunklen Fenster des kleinen Reihenhauses hoch, lässt den Blick über die warm leuchtenden Straßenlampen und die regenbesprühten Briefkästen und über die hufeisenförmige Hotelauffahrt hinwegschweifen – als ihr ganz eigenes Gespenst auftaucht.
Sie ist genauso überrascht, ihn zu sehen, wie er es bestimmt gewesen ist, als sie vorhin an der Kirche erschien, und sein plötzlicher, unerwarteter Auftritt bringt sie völlig aus dem Gleichgewicht, raubt ihr das letzte bisschen Haltung. Er kommt langsam näher, sein dunkler Anzug verliert sich fast in den umliegenden Schatten, bis er in den Lichtkegel der Hotellampen tritt.
»Hi«, sagt er, als er nahe genug gekommen ist, und zum zweiten Mal heute Abend fängt Hadley an zu weinen.
18
18:24
EASTERN STANDARD TIME
23:24
GREENWICH MEAN TIME
Ein Mann mit einem Hut in der Hand kommt näher. Eine Frau mit skandalös hohen Stiefeln. Ein kleiner Junge mit einem Videospiel. Eine Mutter mit einem weinenden Baby. Ein Mann mit einem Schnurrbart. Ein älteres Ehepaar mit den gleichen Pullovern. Ein Junge im blauen Hemd ohne einen einzigen Donut-Krümel.
Es hätte auch alles ganz anders kommen können.
Stell dir vor, es wäre jemand anderes gewesen, denkt Hadley, und beim bloßen Gedanken stockt ihr Herzschlag.
Aber es ist wie es ist: Ein Junge mit einem Buch in der Hand kommt näher. Ein Junge mit schief sitzender Krawatte kommt näher. Ein
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