Puppen
Dorf herabfallen ließ. Töpfe und andere Gegenstände rutschten von Regalen und Tischen.
Selbst wenn die Urrythaner zuerst Paris und das Shuttle für den Auslöser des Bebens hielten: Kurze Zeit später mußten sie aufgrund ihrer besonderen Wahrnehmung zu dem Schluß
gelangen, daß eine andere Ursache existierte. Dennoch blieb ihre Furcht, und die Disharmonie unter ihnen nahm immer mehr zu. Sie waren von der Einen Stimme isoliert, fühlten sich hilflos und allein. Paris und Kes näherten sich der Siedlung langsam, und die Urrythaner wichen in Richtung der
Höhlenzugänge zurück, gaben ihre Posten auf und begnügten sich damit, die Fremden zu beobachten.
Paris traute dem Frieden nicht. Inzwischen befand sich eine Sonde auf halbem Weg zwischen Shuttle und Siedlung, und bei ihrer Installation hatte der Pilot nicht einen einzigen Urrythaner gesehen. Während er die Kontrollen der Sonde bediente, glitt sein Blick immer wieder zum Dorf, doch dort rührte sich nichts. Sammelten sich die Einheimischen für einen Angriff? Lagen sie vielleicht im Hinterhalt? Was auch immer der Fall sein mochte: Sie zeigten sich nicht.
»Sie sind in der Nähe«, sagte Kes. Ihr Blick glitt langsam über den sichtbaren Bereich des Dorfes. »Ich spüre ihre Präsenz, ihre Furcht, aber es gibt Unterschiede zur vereinten Stimme des Planeten. Sie alle erscheinen wie etwas, das nicht ganz komplett ist, oder nicht ganz auf der gleichen
Wellenlänge. Dadurch heben sie sich von der Einen Stimme ab
– wodurch ich sie entdecken kann. Man könnte es mit
fehlerhaften Fäden in einem Gewebe vergleichen.«
»Aber warum zeigen sie sich nicht?« fragte Paris. »Wir beide wirken sicher nicht so bedrohlich, daß sich die Einheimischen fürchten und verstecken.«
»Sie sind tatsächlich voller Furcht«, sagte Kes so plötzlich, als hätte sich ihr gerade die Lösung eines Rätsels offenbart.
»Die Oberhäupter ihres Volkes sind nicht zugegen. Offenbar müssen sie erst noch aus dem Tunnelsystem zurückkehren –
falls sie dort nicht aufgrund des Bebens feststecken, dem Kim und die anderen fast zum Opfer gefallen wären. Die hiesigen Urrythaner wissen nicht, was es mit den starken Vibrationen auf sich hat. Möglicherweise halten sie uns für die
Verursacher.«
»Was ist mit Kayla?« fragte Paris. »Spüren Sie auch die Bajoranerin?«
»Nein.« Kes runzelte die Stirn. »Ich spüre sie nicht, aber…
Hören Sie das Geräusch?«
Paris blieb stehen, neigte den Kopf ein wenig zur Seite und lauschte. Er vernahm etwas, das er zunächst für ein Brummen hielt, dann aber als Cantus oder eine sehr regelmäßige, sich ständig wiederholende Melodie erkannte. Das dumpfe Grollen im Boden blieb ohne jeden Einfluß darauf. Der Rhythmus des Erdbebens schien irgendwie mit der sonderbaren Melodie synchronisiert zu sein. Singende Stimmen… Und sie erklangen irgendwo in der Siedlung vor Paris und Kes.
»Vermutlich handelt es sich um die von Vok erwähnte
Zeremonie«, sagte die Ocampa. »Er sprach davon, daß Kayla auf den Langen Schlaf vorbereitet wird. Wir müssen das Ritual unterbrechen, bevor sich Kaylas Ich vollständig aufgelöst hat.
Kommen Sie.«
Kes setzte sich in Bewegung und ging mit selbstbewußten, zielstrebigen Schritten. Sie schien überhaupt nicht daran zu denken, daß sie sich anschickten, ein fremdes Dorf zu betreten, in dem vielleicht Feinde auf sie warteten. Paris streckte den Arm aus, so als wollte er sie aufhalten, überlegte es sich dann aber anders, zuckte mit den Achseln und folgte der Ocampa.
Ihre furchtlose Ungezwungenheit wirkte irgendwie ansteckend.
Außerdem wußte Paris nicht, wie sie sonst vorgehen sollten.
Es fiel nicht leicht, sich an die Gesellschaft einer Person zu gewöhnen, die über zusätzliche Sinne verfügte.
Kurze Zeit später traten sie durch ein kleines Tor in der niedrigen Mauer, die das Dorf umgab, setzten den Weg über staubige Straßen fort. Die Gebäude zu beiden Seiten
erschienen Paris sofort sehr seltsam. Alle waren hoch und schmal, wirkten dadurch fast wie Karikaturen ›normaler‹
Bauten. Der Pilot stellte sich vor, man hätte die Häuser erhitzt, bis sie halb geschmolzen waren – um sie dann nach oben zu ziehen. Die Fenster erstreckten sich über der Augenhöhe von Menschen, und die Türen ragten fast vier Meter weit empor.
Das Muster wies genug vertraute Aspekte auf, um
gespenstische Züge zu gewinnen. Paris kannte natürlich den Grund für das, was ihm als perspektivische Verzerrung
erschien: die
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