Puppen
Tunnelwänden erwies sich als recht störend. Der Vulkanier blieb stehen, preßte die Hand ans Gestein und nahm ein rhythmisches Pulsieren wahr. Er
konzentrierte sich, erweiterte vorsichtig seine Sinne und tastete geistig nach dem Grund für die Veränderungen. Er fühlte etwas – vermutlich die Eine Stimme, von der Kes gesprochen hatte –, aber es gelang ihm nicht, Details zu erkennen.
Während er sich bemühte, eine engere Verbindung zur
Lebenskraft zu knüpfen, beeinträchtigte der Kopfschmerz seine Konzentration, und dadurch wurde der kurze Kontakt unterbrochen. Tuvok wandte sich von der Wand ab und setzte den Weg fort. Er wollte es erneut versuchen, wenn der
Schmerz nachließ, oder wenn er glaubte, der fremden Entität näher zu sein. Derzeit kam es in erster Linie darauf an, das Tunnelsystem zu verlassen.
Die Logik sagte ihm, daß es viele verschiedene Ausgänge gab. Einen davon mußte er finden, und zwar so schnell wie möglich. Vok war aus einer anderen Richtung gekommen als er und die anderen. Die Struktur der Tunnel schien nicht dazu bestimmt zu sein, etwas zu verbergen oder Fremde in die Irre zu führen. Tuvok war ziemlich sicher, daß er nur dem Verlauf des Ganges folgen mußte, in dem er sich gerade befand –
irgendwann würde er einen zur Oberfläche führenden Tunnel entdecken.
Er mußte zur Voyager zurück. Ohne Captain Janeway brauchte die Crew jemanden, zu dem sie aufblicken konnte, der ihr das Gefühl von Sicherheit vermittelte. Chakotay war ein guter Offizier, doch ihm waren Grenzen gesetzt. In diesem Zusammenhang gab es noch einen anderen Aspekt. Chakotay und Tuvok hatten sich nicht immer gut verstanden. Bei der Zusammenarbeit blieb ihnen nichts anderes übrig, als
Kompromisse zu schließen und die Grenzen ihrer
Zuständigkeiten neu zu bestimmen.
Tuvok ging schneller durch den Tunnel und leuchtete immer wieder mit seiner Lampe. Diese spezielle Passage wies nur wenige Kurven oder Abzweigungen auf; es bestand also kaum die Gefahr, gegen ein plötzlich aus der Finsternis
auftauchendes Hindernis zu stoßen. Der Vulkanier verließ sich auf das, was Menschen vielleicht als ›Instinkt‹ bezeichnet hätten, um einen Weg nach oben zu finden. Er erhoffte sich Hinweise in Form eines Luftzugs oder dergleichen.
Nach einer Weile bemerkte er Geräusche, die offenbar nicht von den Vibrationen hervorgerufen wurden. Allem Anschein nach handelte es sich um Stimmen. Tuvok ging langsamer und in unmittelbarer Nähe der Wände, um so lange wie möglich in ihren Schatten verborgen zu bleiben. Inzwischen schien es keine Feindseligkeiten mehr zu geben, doch er hielt es für besser, auf jedes Risiko zu verzichten.
Er wußte nicht, wie die Urrythaner auf seine Präsenz
reagieren mochten. Bei der letzten Begegnung mit ihnen hatte Vok der Konfrontation ein Ende bereitet, was jedoch nicht bedeutete, daß die Einheimischen den Vulkanier mit offenen Armen empfangen würden. Vielleicht war es Vok überhaupt nicht darum gegangen, die Besucher aus dem All vor Schaden zu bewahren. Möglicherweise ging es ihm um das, was die Wände vibrieren ließ. Tuvok entsann sich an den Hinweis auf ein rätselhaftes Erwachen.
Wenn die Urrythaner ihn jetzt sahen… Vielleicht genügte sein Anblick, um sie erneut aggressiv werden zu lassen. Die Ladekapsel des Phasers enthielt inzwischen weniger als fünfundzwanzig Prozent Energie, was bedeutete: Bei einem Angriff konnte er sich nur für kurze Zeit zur Wehr setzen. Ihm lag nichts an einem Kampf gegen die Bewohner dieses
Planeten, aber trotzdem wandte er sich in die Richtung, aus der ihre Stimmen kamen, in der Hoffnung, einen Ausgang zu
finden.
Vorsichtig spähte er um die nächste Ecke und sah sie. Es waren etwa fünfzehn Urrythaner, die langsam und in einer Gruppe gingen. Dabei hielten sie ein langes weißes Objekt in die Höhe – Vok. Ja, die Einheimischen trugen den reglosen Leib des Ältesten. War er beim Beben verletzt worden? In der Dunkelheit fiel es ihm schwer, Einzelheiten zu erkennen. Vok schien zu schlafen, aber er konnte auch tot sein. Der alte Urrythaner gab keinen Ton von sich und blieb völlig
unbewegt. Was die anderen betraf, die ihn trugen… Ihre Worte konnte Tuvok nicht verstehen, aber sie schienen sehr besorgt, fast verzweifelt zu sein.
Sie sangen, und die Melodie sollte vermutlich mit der Einen Stimme verschmelzen. Doch die Aufregung der Urrythaner erwies sich dabei als ein immer größeres Hindernis. Je mehr ihre Besorgnis wuchs, desto weniger waren
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