Puppenbraut: Psychothriller (German Edition)
schaute sich Angel um. Seans kleiner Raum war vollgestopft mit Akten und Papieren, die scheinbar keiner Ordnung folgten. Zumindest keiner für sie nachvollziehbaren.
Angel Davis war ein äußerst penibler Mensch, ein Pedant geradezu. Unordnung brachte sie aus dem Konzept. Für sie musste alles einen Platz haben. Die Handlungsweise von chaotischen Menschen verstand sie, soweit es einem Profil entsprach. Sich in diese Chaoten hineinversetzen konnte sie dagegen nicht.
Mit genügend Zeit hätten sie nach tröstenden Worten für Sean Dunkin gesucht. Immerhin war es gerade nicht gut um seine Stellung als leitender Pharmazeut bestellt. Erst recht nicht, wenn weitere Menschen durch seine Nachlässigkeit zu Schaden kommen würden. Während sie sich die zahlreichen Bücher genauer anschaute, verspürte sie erneut ein lästiges Jucken in der Nase. Scheinbar meldete sich ihre Stauballergie. Offenbar hatte sich seit Jahren keine einzige Putzfrau in diesen Raum hinein getraut.
„Sagen Sie, werden die Räume der Apotheke auch gereinigt?“, fragte sie überrascht, dass ihr die Idee nicht schon früher eingefallen war.
„Selbstverständlich haben wir Reinigungspersonal!“, antwortete Sean gereizt über diese Art von Fragen, deren Antworten für Apotheken wohl zur Selbstverständlichkeiten gehören sollten. „Diesen Raum lasse ich allerdings nur während meiner Anwesenheit reinigen, damit mir keiner meine Unterlagen durcheinanderbringen kann. Für den Ladenbereich haben wir eine Handvoll vertrauter Mitarbeiter, die von mir persönlich sorgfältig geprüft wurden. Jeder von denen muss einen Wohnaufenthalt angeben. Bei den Reinigungskräften wird sogar die Adresse durch den Teamleader zwischendurch überprüft. Es ist eine Vorschrift, seit… “
„Könnten Sie bitte auch diese Namen notieren?“ Angels Stimme klang mehr nach einer Feststellung als einer Frage.
Wortlos griff Sean Dunkin zu einem dicken Ordner und suchte die Namen aus, während Angel eine ihr altbekannte Nummer der FBI-Zentrale wählte.
*****
Müde rieb sich Josh McMelma seine Augen. Der fehlende Schlaf und die Überstunden, die er zurzeit am Computer leistete, forderten ihren Tribut. Die Buchstaben tanzten förmlich auf dem Bildschirm. ‘Zeit für ein kleines Päuschen’, dachte er, streckte sich aus und ging ans Fenster. Während sein PC mit dem Einspeisen aller bekannten Informationen zu Zoeys Fall beschäftigt war, schaute er hinaus.
Aus der Höhe des 20. Stockwerkes des FBI-Gebäudes erschien die Welt so winzig. Die Menschen ähnelten emsigen Ameisen, obwohl sich die Hektik des frühen Morgens etwas gelegt hatte. Noch ungefähr zwei Stunden, bis die Stadt wieder im geordneten Chaos versinken würde. Hungrige New Yorker auf der Suche nach dem mittäglichen Fast Food.
Und zwischen ihnen die Jäger, auf der Suche nach neuen Opfern. Nach Kindern, nach Frauen, nach Männern. Mit den individuellen und perversen Vorlieben der Täter. Geleitet von unterschiedlichem Verlangen, mal stärker, mal schwächer, endlich gefasst zu werden. Sicher war nur, dass die übelsten Taten über kurz oder lang als Aktenordner im 20. Stockwerk auf McMelmas Schreibtisch landen würden. Zahlreiche leer starrende Gesichter von Opfern, die niemals aus seinen Träumen verschwinden würden.
Das Klingeln des Telefons unterbrach seine Gedanken. Josh nahm bereitwillig seinen Arbeitsplatz ein, nachdem er den Hörer abgenommen hatte. Diese neuartigen Head-Sets, mit denen die Mitarbeiter des FBI ausgestattet wurden, mochte er nicht gern. An genau diesem Punkt war das Computer-Genie sehr altmodisch.
„Hi, Josh! Ich habe was für dich!“, hörte er Angel aufgeregt sagen. „Es ist eine Liste, die du überprüfen musst. Scott denkt, dass unser Täter dabei ist. Möglicherweise eine heiße Spur!“ In diesem Moment piepte das Telefon auffällig laut – ein Hinweis, dass er die Liste gerade erhalten hatte.
„Angel, ich werde es sofort durchgehen und melde mich dann bei dir, ok?“
„Noch eins! Prüfe bitte die Querverbindungen zu den anderen Fällen: Namen, Orte, Auffälligkeiten... Alles, was uns im Computer zur Verfügung steht!“
„Ich bin schon längst dabei, meine Göttin! Meine zarten Finger huschen nur so über die Tastatur!“ Das freche Grinsen offenbarte ein Grübchen. Die Kollegen beim FBI bauten untereinander fortwährend ein wenig Menschlichkeit ein. Als einen besänftigenden Ausgleich zu ihrem harten Alltag in
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