Puppenbraut
wenn du weggehst?“
Die Mutter bemerkte plötzlich Doreen und mäßigte ihren Ton. „Kinder! Kaum lässt man sie für eine Sekunde aus den Augen, schon sind sie weg!“ Ohne eine Äußerung der Fremden abzuwarten, nahm sie seufzend das Kind an die Hand und entfernte sich hastig. Während das Mädchen mit schnellen Trippelschritten seiner Mutter nachzulaufen versuchte, wurde sie an der Hand gezogen, als wäre sie eine schwerfällige Puppe.
Eigentlich war es ein trauriges Bild, wenn man außer Acht lies, dass die kleine Fran eines Tages vielleicht eines der älteren Kinder des Boerum Parks sein würde, das keinen Hausschlüssel um den Hals trug. Bei Weitem nicht alle Eltern hatten Zeit und Muße, sich über den Verbleib ihrer Kinder zu informieren. Und das, obwohl in diesem Park ein Kind entführt worden war.
Im gleichen Augenblick klingelte das Mobiltelefon.
„Hallo, Ell!“ Doreen erkannte die Nummer sofort.
„Hallo, Schatz! Wo bist du?“
„Auf dem Spielplatz im Boerum Park. Bist du im Büro?“
„Jep! Gerade rief mich mein NYPD-Informant an. Es gibt Neuigkeiten in dem Fall, doch alles ist noch streng geheim. Selbst Amy und Larry Andrews wurden noch nicht benachrichtigt. Die haben wohl einen Verdächtigen!“
„Haben sie Zoey gefunden?“
„Das offenbar noch nicht. Näheres hat sie mir nicht verraten.“ Doreen staunte, dass es sich bei dem Informanten um eine Frau handelte. Darüber hatte sie mit Ree nie gesprochen. Für einen winzigen Augenblick verspürte sie einen Stich. Noch ehe sie ihre leicht aufsteigende Eifersucht aufblühen lassen konnte, fuhr Raffaella fort: „Amy Andrews hat vorhin bei mir angerufen, weil sie wissen wollte, ob du Zeit hättest, bei ihr vorbeizuschauen. Vielleicht kriegst du neue Ideen für den Artikel, wenn du Zoeys Zimmer siehst? Wann hättest du Zeit?“
„Jetzt. Ich könnte direkt zu ihr fahren.“
„Dann mach das mal! Ich sage ihr Bescheid. Du musst dich auch nicht beeilen, weil Ivy Cassy von der Schule abholen wird. Ich habe ihr gesagt, dass sie sich – natürlich nur ausnahmsweise mal – eine große Pizza bestellen dürfen, um dir etwas Luft für deine Recherchen zu lassen. Ivy hat schon ihre Sachen bei uns deponiert.“ Raffaella klang erleichtert.
„Na, das ist doch super! Gibt es noch irgendwelche Neuigkeiten von den vergangenen Fällen, falls es überhaupt einen Zusammenhang geben sollte?“
„Ich habe gerade die verantwortliche Staatsanwältin zum Essen eingeladen. Manche von denen schulden mir noch einen Gefallen. Ich versuche es diesmal mit meinem Charme.“ Auch wenn das nicht ihre Art war, musste Doreen jetzt doch ihre aufkeimende Eifersucht herunterschlucken.
„Mach das! Ich liebe dich!“, sagte sie stattdessen.
„Und ich dich erst!“ Raffaellas wundervolle Stimme hallte in Doreens Ohren noch lange nach, nachdem sie aufgelegt hatten. Sie fühlte sich wohl.
KAPITEL 5
„Wissen Sie mehr über meine Tochter?“, hakte Amy Andrews sofort nach, nachdem sie die Tür aufgemacht hatte. Sie sah noch elender aus, als Doreen sie in Erinnerung hatte. Ihre Haare waren nicht gekämmt, sondern zu einem Zopf zusammengebunden. Sie trug einen Jogginganzug und war ungeschminkt.
Unter ehemals leuchtenden Augen lauerten schwarze Ränder, ein Ergebnis des Kummers, der vergossenen Tränen und der schlaflosen Nächte. Fast verloren wirkte die Frau, die noch vor wenigen Tagen sicherlich schick und selbstbewusst auftrat. Selbst von ihren sonst gestylten Fingernägeln blätterte langsam die Farbe ab, was Doreen eher beiläufig bemerkte.
„Nein, leider nicht!“ Doreen bedauerte von Herzen, der besorgten Mutter diese lapidare Antwort geben zu müssen, und trat ein. Sie mochte solche tiefer gehenden Gespräche im Flur nicht.
„Können Sie sich jetzt endlich an dieses... ähm... Monster wenden?“ Dieser Schatten von einer Frau brach wieder in Tränen aus. „Ich will doch nur meine Zoey wiederhaben!“
„Leider geht das noch nicht. Für einen Artikel muss ich noch etwas recherchieren. Aber ich werde alles tun, was in meiner Macht steht! Es ist eine äußerst sensible Angelegenheit, wenn man Zoey nicht schaden will.“, entgegnete Doreen so mitfühlend, wie sie nur konnte.
„Was soll ich nur tun? Was soll ich nur tun?“ Jammernd lehnte sich die fremde Frau an Doreen. Was Ree für gewöhnlich als unangenehm empfand, erschien ihr plötzlich so selbstverständlich. Sie umarmte sie und fühlte unendliches Mitleid mit ihr.
„Hören Sie,
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