Puppenfluch
jemand anderes sie dann mithilfe einer Hundeleine aus dem Wasser gezogen hatte. Eine Männerstimme. Sie hatte sich die Leine um das eine Handgelenk gewickelt und Angst gehabt, ihr würde der Arm ausgerissen, als der Mann sie ächzend daran hochgezogen hatte. Dann Arons vertraute Stimme.
Sie öffnete die Augen und schüttelte den Kopf.
»Gib mir dein Handy, falls du es noch hast«, sagte Kommissarin Björk. »Wir können es auf Fingerabdrücke untersuchen. Ich hoffe nur, die Kerle ändern ihre Pläne nicht, jetzt, nachdem sie es abgehört haben.«
»Wieso sollten sie das tun?«
»Vielleicht stoppen sie die Lieferung, weil sie wissen, dass du etwas über sie herausgefunden hast.«
»Oh«, sagte Siri.
Daran hatte sie nicht gedacht.
»Aber so was kann man nie vorhersagen, wir müssen abwarten, was passiert.«
Siris Mutter stand auf und öffnete einen der Kleiderschränke. Sie holte eine große Plastiktüte heraus und fing an, den durchnässten Inhalt zu durchsuchen. Sie zog Siris triefende Jacke heraus, tastete die Taschen ab und reichte sie an Kommissarin Björk weiter. Die zog sich einen Gummihandschuh an und fischte das ausgeschaltete Handy heraus. Wortlos reichte Siris Mutter ihr eine kleine Tüte und Kommissarin Björk ließ das Handy hineingleiten.
»Wir hören voneinander«, sagte sie und ging.
Der nächste Besuch kam um die Mittagszeit. Mama war kurz nach Hause gefahren, um nach den Zwillingen zu sehen, und als es an ihrer offenen Tür klopfte, war Siri alleine im Zimmer. Eigentlich hatte sie versucht,ein bisschen zu schlafen, aber das hartnäckige Klopfen brachte sie schließlich dazu, sich umzudrehen und doch zu schauen, wer an der Tür war.
Es war eine mollige rothaarige Frau um die Dreißig, die Siri mit kleinen Augen musterte.
»Hallo. Störe ich dich? Nicht? Prima! Bist du das Mädchen, das gestern in den Kanal gefahren ist?«, fragte sie und machte ungebeten einen Schritt ins Zimmer. Die Absätze ihrer Stiefel knallten auf dem Boden.
Siri starrte sie an.
»Was? ... Wer sind Sie?«, fragte sie.
Die Frau lächelte routiniert: »Ich heiße Lotte Andersson, bin Journalistin und arbeite für die Lokalzeitung. Ich habe einen Tipp bekommen, dass du gestern ziemlich in Schwierigkeiten geraten bist, und möchte darüber in unserer Zeitung berichten. Ein Interview und ein schönes Bild ... Wäre das nichts? Deine fünfzehn Minuten Ruhm, sozusagen.«
Sie lachte glucksend. Siri starrte sie verdutzt an.
»Wer hat Ihnen gesagt, dass ich das war?«, fragte sie.
»Darüber darf ich leider keine Auskunft geben«, sagte die Reporterin.
»Ich will trotzdem keine Fragen beantworten. Ich will schlafen.«
»Ach komm, überleg doch mal. Wir berichten sowieso darüber, nur eben ohne Namen und Bild, wenndu dich nicht dazu äußern willst. Also, wie war das jetzt ... bist du freiwillig im Kanal gelandet?«
Siri traute ihren Ohren nicht. Was hatte diese Person da eben gesagt?
»Verschwinden Sie«, zischte sie leise.
»Aber ...«
»Hören Sie schlecht?«, fauchte Siri und sprang aus dem Bett.
Die Journalistin war so überrascht, dass sie einen Schritt zurückwich. Siri sah ihre Chance gekommen. Sie stürzte zur Tür und schlug sie der Reporterin vor der Nase zu. Wie unverschämt konnte man eigentlich sein? Sie hatte kein Recht, hierherzukommen und sich so aufzuführen!
Siri ließ sich in ihr Bett zurücksinken. In ihrem Kopf drehte sich alles, wahrscheinlich hätte sie nicht so aufspringen dürfen. Jetzt lag sie ganz still und schloss für einen Moment die Augen. Da klopfte es erneut.
»Geben Sie denn nie auf, Sie alte Hexe?!«, rief Siri.
Vorsichtig öffnete sich die Tür. Es war Aron, der mit einem mageren Nelkenstrauß aus dem Krankenhauskiosk vor ihr stand.
»Hä?«, sagte er.
»Eben war so eine bescheuerte Reporterin hier, die ...«
Aber noch ehe sie einen klaren Gedanken fassen konnte, hatte Aron sie schon in den Arm genommenund sie fühlte durch das Hemd, wie sein Herz klopfte. Oder war es ihr eigenes? Siri bohrte ihre Nase in seinen Hals und sog seinen wunderbaren Duft ein, fuhr ihm mit den Fingern durchs Haar und drückte sich an ihn.
»Ich bin so froh, dass du lebst«, murmelte Aron ihr ins Ohr.
Sie saßen auf dem Bett, hielten sich fest und es fühlte sich so richtig an. Ganz gleich, was geschehen war und noch weiter geschehen würde, es fühlte sich richtig an, bei Aron zu sein.
»Wie lange werden sie dich hierbehalten?«, fragte er.
»Keine Ahnung, aber ich hoffe, sie entlassen mich
Weitere Kostenlose Bücher