Puppenfluch
es?«, sagte Siri. »Elf? Okay, es ist Mittwochvormittag und wir haben gutes Wetter. Ich überlege gerade, ob ...«
Irina sah sie fragend an.
»Komm, Irina! Ich hole nur schnell den Pass. Nimm deine Tasche. Ich glaube, du kommst heute schon nach Hause!«
Torsten riss überrascht die Augen auf. Fragend sah er abwechselnd Siri und Irina an.
» Irina nach Hause bringen ? Du musst verrückt geworden sein!«
»Nein«, sagte Siri beharrlich. »Irina muss nach Hause, ehe ihrem Kind etwas zustößt!«
Siri sah Torsten ernst an und betete, dass er guter Laune war. Die Geschichte, die sie ihm aufgetischt hatte, hakte ein bisschen, aber sie wagte nicht, ihm die Wahrheit zu erzählen. Kommissarin Björk würde nicht wollen, dass sie zu viel verriet, deshalb hatte sie nichts vom Menschenhandel, von Martin oder von der Tatsache, dass die Polizei den Flughafen observierte, gesagt. Sie hatte nur von ihrer Freundin Irina gesprochen, die in Stockholm gearbeitet hatte und jetzt dringend nach Hause musste.
Verwirrt kratzte Torsten sich die Glatze.
»Aber von wem wird deine Freundin denn bedroht?«, fragte er.
»Es gibt so viele Kriminelle«, sagte Siri fest. »Du hast sicher schon mal von der Russenmafia gehört? Aber die Zeit läuft. Ihr müsst los. Ich checke das Flugzeug. Welches wollen wir nehmen?«
»Ich habe noch nicht Ja gesagt«, fauchte Torsten.
Siri legte den Kopf schief und zauberte ihre Lachgrübchen hervor. Ihr Lächeln fühlte sich ein bisschen aufgesetzt an, aber sie hoffte, dass es trotzdem natürlich wirkte.
»Nein, aber das wirst du gleich tun!«
»Siri, ich bin noch nie selbst ins Ausland geflogen! Außer nach Dänemark natürlich, aber doch nicht nach Russland!«
»Aber es ist nicht weit«, versuchte Siri ihn zu überzeugen. »Nur über die Ostsee. Wie weit kann das sein? Zweihundert Kilometer? Bis zur Westküste fliegst du das Doppelte, Torsten. Wenn wir die Viersitzige nehmen, komme ich mit und helfe dir. Bitte! Ich gebe dir mein gesamtes Erspartes!«
»Siri, Geld ist hier nicht das Problem«, sagte Torsten. »Du kannst dein Erspartes behalten. Es ist ... es ist ...«
Hilflos sah er Irina an. Sie verstand kein Wort von dem, was gesagt wurde, aber sie begegnete seinem Blick mit ihren großen, besorgten Augen und ihre Hände klammerten sich nervös an die Tasche, die sie noch immer nicht abgestellt hatte. Ihr gejagter Blick musste irgendetwas in Torsten ausgelöst haben, denn plötzlich sagte er: »Okay, na gut. Ich muss wahnsinnig sein, aber ich mache es. Und auch nur, weil du es bist, Siri. Ich würde das für niemanden sonst tun und ich halte es für vollkommen bekloppt, aber wenn es so wichtig ist ...«
»Das ist es. Glaub mir.«
Torsten seufzte.
»Mach ich ja. Für gewöhnlich kann man sich auf dich verlassen. Aber du musst mitkommen, Siri, mein Englisch ist ziemlich dürftig. Ich gehe jetzt und übermittle den Flugplan und du checkst währenddessen die Viersitzige. Um diese Zeit ist sie für gewöhnlich frei.«
Siri fiel ihm um den Hals.
»Danke, Torsten, du bist der Beste!«, sagte sie.
Irina traten Tränen in die Augen, und als Siri Torsten losgelassen hatte, umarmte auch sie ihn.
»Thank you! Thank you«, murmelte sie.
»Äh, schon gut, schon gut, Mädels«, sagte Torsten verlegen und löste sich vorsichtig aus Irinas Umklammerung.
Er ging ins Büro, um zu telefonieren, und Siri verschwand mit Irina im Gefolge wie ein Blitz durch die Tür.
Irina presste ihre Nase gegen die Scheibe. Es wurde langsam dämmrig und in einem Meer aus funkelnden Lichtern tauchte Kaliningrad unter ihr auf. Wie eine Märchenstadt. Nie hätte sie gedacht, dass sie je so froh darüber sein würde, ihre Heimat wiederzusehen. Sie spürte einen dicken Kloß im Hals und ihre Wimpern wurden feucht.
Sie saß wie auf glühenden Kohlen. Jede Minute, bis sie Bab in ihre Arme schließen konnte, kam ihr vor wie eine Ewigkeit. Sie hoffte so sehr, dass die Erpresser ihrer Tante geglaubt hatten, dass sie auf dem Weg nach Hause war und nie als Zeugin in einem eventuellen Gerichtsverfahren aussagen würde!
Irina presste die Augen zusammen. Sie hatte keine Wahl gehabt. Sie war gezwungen gewesen, dieses Versprechen zu geben. Babs Leben war wichtiger als alles andere. Sie war nicht dumm – sie wusste sehr wohl, dass andere Mädchen in die gleiche Falle tappen würden, dass sie hereingelegt und ausgenutzt werden würden, um am Ende daran zugrunde zu gehen – aber niemand konnte von ihr verlangen, dass sie dafür das Leben
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