Puppenfluch
am anderen Ende der Leitung.
»Waren Sie die ganze Nacht über da?«
»Ja, wir haben den Platz rund um die Uhr observiert.«
»Aber doch ohne Polizeiautos, oder? Nicht dass sie gewarnt waren, meine ich?«, fragte Siri.
»Siri, wir machen unseren Job nicht erst seit gestern«, sagte Kommissarin Björk. »Niemand war informiert. Aber sie haben ja durchaus den einen oder anderen Hinweis im Vorfeld bekommen. Die verschwundene Mappe. Dein Handy.«
»Ja ...«
»Wir werden den ganzen Verein und Axelsson-Flüge noch mal ein bisschen genauer unter die Lupe nehmen.«
»Den ganzen Verein? Aber die anderen wissen doch nichts von der Sache.«
Sie dachte an Torsten. Es würde ihm überhaupt nicht gefallen, von der Polizei vernommen zu werden.
»Das stimmt, aber wir müssen weiter ermitteln.«
Siri biss sich auf die Lippe. Sie war davon ausgegangen, dass heute alles vorbei sein würde ... Diese Hoffnung hatte ihr die Kraft gegeben durchzuhalten. Heute hätte alles überstanden sein sollen! Sie hatte versucht, Aron aus ihrem Herz zu streichen – aber das hatte nur dazu geführt, dass sie noch mehr an ihn denken musste.
Und alles ungeschehen machen wollte.
Dann hatte sie gedacht, dass es doch nicht anders ging. Wikers Geschäft mit den jungen Mädchen musste gestoppt werden.
Also hatte sie sich wieder umentschieden.
Und noch ein wenig um Aron geweint.
Und jetzt? Jetzt fasste sie plötzlich wieder Hoffnung.
»Ist es vielleicht gar nicht Martin Wiker gewesen?«, fragte sie Kommissarin Björk.
Die Kriminalkommissarin hustete mitfühlend.
»Es tut mir leid, aber das glaube ich nicht«, sagte sie. »Die Untersuchungsergebnisse von deinem Handy liegen zwar noch nicht vor und wir haben auch noch keine Beweise, aber alles deutet auf ihn hin. Leider, Siri. Ich weiß ja, dass du mit seinem Sohn befreundet bist, aber versuch, dich von ihm fernzuhalten, bis das alles hier vorbei ist. Ich weiß, das letzte Mal habe ich gesagt, dass du dich mit ihm treffen darfst, wenn du das möchtest, aber inzwischen ist so viel passiert. Wir haben Wiker permanent unter Überwachung.«
» Bis das alles hier vorbei ist «, wiederholte Siri unglücklich. »Wenn das hier vorbei ist, wird Aron nichts mehr mit mir zu tun haben wollen.«
»Das ist wirklich keine angenehme Situation für dich, Siri. Aber das Leben junger Frauen steht auf dem Spiel, junger Mädchen wie du. Meinst du nicht auch, dass das jetzt das Wichtigste ist?«
»Doch«, sagte Siri. Sie zog die Schultern hoch und machte sich klein.
»Ich melde mich wieder«, sagte Kommissarin Björk. »Pass auf dich auf. Noch mehr als bisher. Bleib zu Hause, wenn du nicht in der Schule bist. Okay? Und melde dich sofort , wenn irgendetwas ist! Keine Alleingänge mehr, hörst du? Bei der kleinsten Kleinigkeit musst du mich anrufen!«
»Hm«, sagte Siri.
Mit einem Mal wurde sie wütend. Das ist die Hölle, dachte sie und legte auf. Was war eigentlich so schwer daran, diesen Mistkerl festzusetzen?
Ich will mein Leben zurück!, dachte Siri. Und zwar sofort!
Der Donnerstag verstrich so langsam wie der Mittwoch. Siri wollte nicht zur Schule und auch nicht auf den Flugplatz. Die meiste Zeit saß sie in ihrem Zimmer und starrte aus dem Fenster. Draußen fiel Schnee, aber ihr war alles andere als weihnachtlich zumute. Wenn sie auf den Flugplatz ging, würde sie Torsten alles erklären müssen, das hatte sie ihm schließlich versprochen. Doch das wollte sie nicht. Noch nicht. Aron hatte ihr mehrere Nachrichten aufs Handy geschickt, aber Siri hatte keine davon beantwortet. Sie wollte ja, wusste nur nicht, was sie ihm hätte sagen sollen. Alles war so kompliziert.
»Was machst du?«
Mama steckte den Kopf durch die Tür.
»Nichts. Ich ... habe nur nachgedacht.«
»Wir gehen jetzt. Bist du sicher, dass du nicht mitkommen willst?«
»Mitkommen? Wohin? Ach so, ja.«
Das Weihnachtsstück in der Kita der Zwillinge.
»Nein, ich will nicht. Ich will lieber ... ein bisschen schlafen.«
»Mach das. Schließ die Türen ab und mach Licht an. Wir sind sicher ein paar Stunden weg, aber allzu spät wird es trotzdem nicht. Im Tiefkühlschrank sind noch Zimtschnecken, falls du Lust darauf hast.«
Im Haus wurde es still. Siri stand auf und ging in die Küche. Ein Lichterbogen leuchtete im Fenster. Auf dem Tisch lag ein Stapel Werbeprospekte, den Siri lustlos durchblätterte. Schmuck, Spielzeug, Bücher und die Neueröffnung einer McDonalds-Filiale, nicht weit vom Industriegebiet in Abisko entfernt. Eine blonde
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