Puppenfluch
einen Blick auf das Mädchen unter der Plane geworfen und ganz ruhig gesagt: »Du kannst meinen Job übernehmen. Du machst ihn besser als ich.«
Als würde sie jeden Tag eine Leiche finden, hatte Siri gedacht, aber sie hatte sich trotzdem ein wenig besser gefühlt und einen Versuch unternommen aufzustehen. Allerdings hatte ihr Knie so wehgetan, dass Kommissarin Björk einen jungen Polizisten herbeigerufen hatte, der Siri stützen und zum Polizeiauto bringen sollte.
Freundliche Menschen mit sanften Stimmen hatten sich um alles gekümmert. Siri hatte sich sicher gefühlt.
»Aron ist schon vernommen und wieder nach Hause geschickt worden«, sagte Kommissarin Björk trocken.
Sie setzte sich auf einen Stuhl gegenüber Siri und zog einen Notizblock aus der Tasche.
Siri fragte sich, ob das eine Anspielung darauf sein sollte, dass Aron von der ganzen Sache gewusst haben könnte. Das war unmöglich!
»Er hat nichts damit zu tun!«, sagte sie heftig und warf dabei fast die Tasse um. »Aron ist der tollste Typ, den man sich nur vorstellen kann. Er liebt mich ...«
»Siri! Entspann dich!«, sagte Kommissarin Björk, fast erschrocken über ihre Reaktion. »Niemand gehtdavon aus, dass er in die ganze Angelegenheit verwickelt war.«
Siri holte tief Luft und versuchte, Ruhe zu bewahren.
»Woher hast du den Tipp mit der Adresse bekommen?«, fragte Kommissarin Björk.
»Ich habe doch schon gesagt, dass ...«
»Ja, ich weiß. Ich habe mich nur gefragt, woher du die Adresse hattest.«
»Vom Computer im Verein. In Wikers Personendaten stand, dass er dort eine Lagerhalle besitzt. Und da ist mir wieder eingefallen, dass Danne davon gesprochen hatte, nach Abisko zu fahren, als ich ... diese Papiere im Auto gefunden habe. Ich hatte es nur wieder vergessen. Oder vielleicht hatte ich auch den Eindruck, dass es nicht so wichtig ist. Zumindest bis zu dem Moment, in dem ich die beiden Sachen miteinander in Verbindung gebracht habe. Darum bin ich ins Industriegebiet gefahren, es hatte nichts mit Aron zu tun!«
Siri ließ sich ins Sofa zurücksinken und lehnte sich an ihre Mutter.
»Hast du mit ihm geredet?«, fragte Kommissarin Björk.
»Nein, ich durfte ja nicht.«
Kommissarin Björk nickte.
»Das ist gut. Aber jetzt ist es kein Geheimnis mehr. Wir laden Martin Wiker zum Verhör. Genau in diesemAugenblick wird er abgeholt. Ich habe einen Wagen zu seinem Büro geschickt. Er hat uns eine Menge zu erklären.«
»Was haben sie mit ihr gemacht? ... Mit Yulia.«
Kommissarin Björk sah Siri bekümmert an.
»Bist du sicher, dass du es wissen willst?«
Siri nickte.
»Wir können es noch nicht hundertprozentig sagen, bis die Obduktionsergebnisse vorliegen. Aber sie hat einen Schlag auf den Kopf bekommen, möglicherweise mit einem Hammer.«
Kommissarin Björk begegnete Siris Blick: »Und sie hat noch nicht lange dort gelegen. Der Gerichtsmediziner meint, dass es sich nur um Stunden gehandelt haben kann.«
Siri runzelte die Stirn. Sie wand sich auf dem unbequemen Sofa, das hart wie eine Holzpritsche war und viel zu lange Armlehnen hatte, als dass man gerne darauf gesessen hätte. Andererseits war dieser Raum auch mit Sicherheit nicht für gemütliche Kaffeekränzchen vorgesehen.
»Ich hätte also nur ein bisschen früher kommen müssen, dann ...«
Kommissarin Björk schüttelte entschieden den Kopf.
»Nein! So darfst du nicht denken. Wenn du früher gekommen wärst, wäre es dir vielleicht genauso übel ergangen.«
»Wollten die Kerle sie einfach so liegen lassen?«
»Nein, sie waren sicher schon unterwegs, um sie abzuholen. Du hattest Glück, dass du ihnen nicht in die Arme gelaufen bist.
»Aber ... wieso haben die das getan?
Siri sah Kommissarin Björk flehend an. Sie wollte eine Erklärung. Sie wollte wissen, warum es passiert war, obwohl ihr klar war, dass es keine einfache Antwort darauf geben konnte.
»Was meinst du? Warum sie sterben musste?«
»Ja.«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht hat Yulia sich geweigert, das zu tun, was sie von ihr verlangt haben. Vielleicht hat sie sich gewehrt und protestiert und dann war sie in ihren Augen nichts mehr wert. Das sind diese Mädchen nur, solange sie Geld einbringen. Ziemlich wahrscheinlich ist es so gewesen, denn wir gehen davon aus, dass sie Yulia eine ganze Weile in dem Lager festgehalten haben. Wir haben leere Wasserflaschen und McDonalds-Tüten dort gefunden.«
»Dann ...«
»Was?«
»Dann war es meine Schuld, dass sie gestorben ist?«, fragte Siri.
»Aber Siri, ich habe
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