Puppengrab
Neil wissen.
Beth legte die Stirn in Falten und schüttelte den Kopf. Sie wusste keine Antwort darauf. »Der könnte überall herkommen. Er kann genauso gut all die Jahre hier gelegen haben, wenn du mich fragst.«
»Gut«, entgegnete Neil und berührte sie wieder am Arm. »Komm. Ich bringe dich hier raus.«
»Ich muss nach oben.«
»Nein, Beth, tu das nicht.«
»Sie … ich meine, Agent Carter. Ihre Leiche …«
»Abtransportiert. Aber es gibt trotzdem keinen Grund für dich, jetzt da raufzugehen.«
»Dies ist mein Zuhause, Neil. Es ist meine Welt«, erwiderte Beth. Sie spürte, wie ihr Tränen in den Augen brannten. »Ich muss sehen, was dieser Dreckskerl mit meiner Welt angerichtet hat.«
Beth hatte das Haus der Küche wegen gekauft. Nicht, dass sie eine große Köchin gewesen wäre. Eine Zeitlang beschränkte sich ihre Kochkunst auf Käsemakkaroni aus der Fertigpackung oder das Erwärmen von Hot-Dogs in der Mikrowelle. Doch diese Küche hatte sie immer geliebt. Sie lag im Herzen des Hauses, wo eine Familienküche sein sollte. Sie war hell und freundlich, hatte pastellgelbe Wände, die Holzbalken waren mit Handmalereien verziert, und die Fliesen an der Spüle waren ein selbstgemachtes Mosaik. In der Küche begann und endete jeder Tag mit Abby. Sie war der Ort, an dem Bilder getuscht, die Hausaufgaben erledigt und Angelspiele gespielt wurden. Sie war der Ort, an dem das Leben zu Hause war.
Und jetzt auch der Tod.
Ihr wurden die Knie weich. Atme. Keine Leiche, kein Blut, keine Waffe. Der Raum war mit penibler Sorgfalt wieder hergerichtet worden. Mitten in dieser tödlichen Stille und dem widerlichen Pesthauch von Laborchemikalien stand alles wieder an seinem Platz. Man hatte die vier Stühle ordentlich unter den Küchentisch geschoben und sogar die Tischdeko ausgetauscht. Als hätte die Spurensicherung das Haus für Besuch vorbereitet, dachte Beth.
Und genau das war das Problem. Beths Küche sah nie so aus, als würde sie Gäste erwarten. Die Tischdeko war stets beiseite geschoben, damit Abby genug Platz zum Malen hatte oder mit Knetmasse spielen konnte. Ein Stuhl stand sonst in der Ecke, damit Abby ihn zur Arbeitsplatte schieben konnte, wenn es etwas zu rühren gab oder sie Beth beim Abwiegen von Zutaten helfen wollte. Und die Teppiche waren ganz verschwunden. Einer hatte sonst immer zerknittert in der Ecke gelegen, wo Heinz ihn hingeschleppt hatte, um darauf seine Nickerchen zu halten. Beth vermutete, dass sie gerade auf dem Weg ins FBI -Labor waren.
Es ist nur ein Raum. Nur ein …
»Das reicht jetzt.« Neil zog sie weg und begleitete sie durch den Flur und zur Haustür hinaus. »Zufrieden? Hast du lange genug dort gestanden und alles angestarrt? Weißt du jetzt, dass du stark genug bist, es zu ertragen?«
Beth sah auf. Sie sah Neil doppelt, und Standlin schien plötzlich in mehrfacher Ausführung im Hintergrund herumzulaufen. Beth schloss die Augen und tat drei tiefe Atemzüge, bevor sie sie wieder öffnete.
»Abby …«
»Geht es bestens. Ich habe heute alle zwanzig Minuten in Covington angerufen. Unsere Leute sind rund um die Uhr bei ihr.«
»Das waren sie bei Agentin Carter auch.«
Neil fluchte, während er sich mit der Hand über das Gesicht rieb. »Bankes war zuerst hier. Er muss sich hereingeschlichen und die ganze Geschichte mitbekommen haben, während wir dich Mittwochnacht nach Covington verfolgt haben. Er hat es sich hier gemütlich gemacht und abgewartet. Die Polizei hat das Haus durchkämmt, doch selbst als die Schränke überprüft wurden, die du normalerweise absperrst, war er bereits in seinem Versteck und konnte im Verborgenen abwarten.«
»Glaubte er, mich erwischt zu haben?«
»Nein. Er wusste, dass Carter ein Lockvogel war. Sie gehörte zu seinem Plan.«
»Gehörte Hannah auch dazu?«
»Wahrscheinlich. Obwohl er nicht wissen konnte, welcher deiner Kollegen mit dem Wagen unterwegs sein würde, wenn das Kugelgelenk aufging. Doch zumindest war ihm klar, dass es jemanden erwischen würde, der mit dir arbeitet.«
Beth stellte sich etwas abseits und starrte ins Leere. Ihre Haut fühlte sich an, als kröchen winzige Kreaturen direkt unter der Oberfläche. Bankes war in ihre Welt eingedrungen. Er war auf Aniquitätenmessen gewesen, hatte ihre Firma besucht und war bei ihr zu Hause gewesen. Hatte alle belauscht. Sie beobachtet. Pläne geschmiedet.
Und getötet.
Vom Ende der Straße waren Rufe zu hören. Ein uniformierter Beamter lief den Hügel hinauf. »Lieutenant.
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