Puppengrab
so sehr jemanden wie Neil gewünscht, an den sie sich anlehnen konnte. Und dennoch wusste sie, dass es einem Mann wie ihm niemals genügen würde, nur ihr Anlehnungsbedürfnis zu befriedigen. Er würde sie auf Händen tragen wollen.
Wie verlockend das war. Ihm einfach die Zügel zu überlassen und sich ihm hinzugeben. In jeder Hinsicht.
Beth ließ den Blick zu seinen Lippen wandern, und einen Augenblick lang konnte sie an nichts anderes denken als an seine Küsse. Er war samtweich und zugleich hart wie Stahl, sein Körper war stark, hart und fordernd. Und doch fühlten sich seine Berührungen so sanft an, dass eine einzige Umarmung die grausamen Erinnerungen der letzten sieben Jahre nahezu augelöscht hatte.
Mit ihm Sex zu haben, würde sicher genauso sein, dachte Beth. Und das wollte sie herausfinden.
Sie lehnte sich an ihn, und es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, bis er sie an sich zog und sich all die Jahre voller Furcht und Schrecken in Luft auflösten. Seine Lippen wurden zu ihrem Universum, und sie küsste ihn mit aller Leidenschaft, die sie besaß. Sie gab sich ihm hin und forderte, und schließlich war sie sich sicher, dass sie bereit war. Neil, der sich so anders anfühlte als alles, was sie vorher gekannt hatte, und so viel besser als alles, was sie sich jemals hätte vorstellen können, war der Mann, bei dem sie es zulassen konnte.
Sie war bereit.
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36
N eil saugte ihre Nähe ganz in sich auf, als er ihre Oberarme mit den Händen umschloss. Doch selbst, als er sie küsste, kämpfte er innerlich dagegen an. Als versuche eine unsichtbare Kraft, sie auseinanderzutreiben, während eine andere Kraft es ihm unmöglich machte, sich von ihren Lippen zu lösen. Schließlich schaffte er es, sie auf Armeslänge von sich zu schieben. »Nein«, sagte er. Beth taumelte zurück.
»W-was ist los?« Sie sah ihn entgeistert an.
Neil ballte die Hände zu Fäusten, und die Leere darin bereitete ihm fast körperliche Schmerzen. Doch er konnte es nicht zulassen. Nicht, solange zwischen ihnen noch ein großes Geheimnis stand.
Er schloss die Augen und trat einen Schritt zurück. »Wir sehen uns morgen früh.«
»Du wolltest doch, dass ich dir zeige, wie ich mich entschieden habe«, wandte sie mit zitternder Stimme ein. »Jetzt bin ich bereit.«
»Bereit.« Als Neil sie anstarrte, wusste er nicht, ob es Wut oder Schmerz war, der ihn sprechen ließ. »Bereit zu sehen, ob du es aushalten kannst?«
»Was? Nein!«
»Du betrittst dein Haus, weil du wissen willst, ob du stark genug bist, den Anblick deiner Welt in Trümmern zu überstehen. Und du gehst mit mir ins Bett, um zu sehen, ob du es nach Jahren der Einsamkeit aushältst. Aber ich will nicht die Bewährungsprobe für dein Durchhaltevermögen sein, Beth.«
»Ich habe mich entschieden, Neil.«
»Du hast dich entschieden, mit mir Sex zu haben.« Er sah ihr in die Augen. »Aber ich habe dich gebeten, über mehr als das nachzudenken.«
Neil sah, wie die Bedeutung seiner Worte langsam in Beths Kopf Gestalt annahm. Ihr Unterkiefer klappte nach unten. »Du wolltest, dass ich mich entscheide, ob ich mit dir Sex habe.«
Er wandte den Blick nicht von ihr. »Ich wollte, dass du dich für weitaus mehr als das entscheidest, Beth.«
Sie drehte sich um und verschränkte die Arme eng vor der Brust. Dann wirbelte sie zu ihm herum. Jetzt war sie wütend. »Du willst mir doch nicht etwa erzählen, dass du immer erst eine Liebeserklärung verlangst, bevor du mit einer Frau ins Bett gehst. Als hättest du in den letzten Jahren nur mit Frauen geschlafen, die sich als künftige Mrs. Sheridan qualifizierten!«
»Ich habe in den letzten Jahren nur mit Frauen geschlafen, ohne im Traum an eine künftige Mrs. Sheridan zu denken. Ihre Liebe war mir vollkommen egal.« Er schwieg kurz. »
Darin
besteht der Unterschied, Beth.«
Er wandte sich zur Tür.
»Warte …«
Was auch immer sie sagen wollte, erstarb auf ihren Lippen, als Neil sich umdrehte und sie mit einer Eindringlichkeit ansah, als wolle er ihr die Worte mit bloßem
Willen
entlocken. Mein Gott, wie er diese Frau begehrte. Er wollte den Horror, den Chevy Bankes ihr angetan hatte, für immer aus ihrem Leben löschen und sie so festhalten, dass sie sich nie wieder fürchten musste.
Doch darum hatte sie ihn nicht gebeten. Sie war noch nicht bereit, ihm ihre verwundete Seele anzuvertrauen. Sie brachte es gerade einmal fertig, sich ihm körperlich hinzugeben.
Er betrachtete sie noch einen Augenblick lang. Er hatte
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