Puppenmord
gemacht«, sagte Wilt, »ich habe ihr gesagt, sie sollte ihr Puder-döschen woanders verhökern.« »Und das nennst du hinhalten? Ihr Puderdöschen verhökern? Zum Kuckuck, wo hast du denn diesen Ausdruck her?«
»Fleisch Eins«, sagte Wilt, stand auf und holte sich noch eine Tasse Kaffee.
Als er zu seinem Stuhl zurückkam, war er sich über seine Version im klaren.
»Ich weiß nicht, was dann passiert ist«, sagte er, als Brain-tree unbedingt hören wollte, wie's weitergegangen war. »Ich bin weggepennt. Das muß der Wodka gewesen sein.«
»Mit einer nackten Frau in einem verschlossenen Zimmer bist du einfach weggepennt? Das soll wirklich passiert sein?« sagte Braintree. Es klang nicht so, als glaubte er auch nur ein Wort von der Geschichte.
»Genau«, sagte Wilt.
»Und als du wieder zu dir kamst?«
»War ich auf dem Heimweg«, sagte Wilt. »Ich habe keine Ahnung, was dazwischen passiert ist.«
»Na ja, ich denke, das werden wir von Eva hören«, sagte Braintree, »sie muß es ja wissen.«
Er stand auf und ging weg, und Wilt blieb allein, um sich den nächsten Schritt zu überlegen. Das erste, was er tun mußte, war sicherzustellen, daß Eva nichts sagte. Er ging rüber zum Telefon im Flur und wählte seine Nummer zu Hause. Es meldete sich niemand. Wilt ging zum Raum 187, wo er eine Stunde mit den Drehern und Klempnern verbrachte. Den ganzen Tag über versuchte er mehrere Male, Eva anzurufen, aber sie meldete sich nicht.
»Vielleicht hat sie den Tag bei Mavis Mottram verbracht, sich an ihrer Schulter ausgeflennt und ihr haarklein erzählt, was für ein Schwein ich bin«, dachte er. »Bestimmt wartet sie schon auf mich, wenn ich heute abend heimkomme.«
Aber das tat sie nicht. Statt dessen lag ein Brief auf dem Küchentisch, und daneben ein Päckchen. Wilt machte den Brief auf.
»Ich fahre mit Sally und Gaskell weg, um über alles nachzu denken. Was du gestern abend getan hast, war abscheulich. Ich werde es Dir nie verzeihen. Vergiß nicht, etwas Hundefutter zu besorgen. Eva. P.S. Sally sagt, wenn Du das nächste Mal ein Flötensolo brauchst, laß es Dir von Judy blasen.«
Wilt sah auf das Päckchen. Ohne daß er's aufmachte, wußte er, was drin war. Diese teuflische Puppe. In einem plötzlichen Wutanfall nahm Wilt es und schleuderte es durch die Küche ins Spülbecken. Zwei Teller und eine Untertasse fielen aus dem Geschirrständer und zerklirrten auf dem Boden.
»Scheiß auf das Miststück«, sagte Wilt vieldeutig, indem er Eva, Judy und Sally Pringsheim gleichermaßen in seine Wut einschloß. Dann setzte er sich an den Tisch und sah sich noch mal den Brief an. »Fahre weg, um über alles nachzudenken.« Wohl mit dem Hintern. Denken? Die blöde Kuh war doch denkunfähig. Sie würde doch bloß über seine Unzulänglichkeiten jammern und tratschen und sich in ein exaltiertes Selbstmitleid hineinsteigern. Wilt konnte richtig hören, wie sie gerade schon wieder von diesem verdammten Bankdirektor schwatzte, und daß sie ihn hätte heiraten sollen, statt sich einen Mann aufzuhalsen, der in der Berufsschule nicht mal befördert wurde, sondern in der Gegend rumlief und in anderer Leute Badezimmern aufblasbare Puppen bumste. Und Sally Pringsheim, diese mistige Schlampe, hetzte sie auch noch auf. Wilt las den Nachsatz: »Sally sagt, wenn Du das nächste Mal ein Flötensolo brauchst...« Himmelherrgott! Als hätte er das letzte Mal eins haben wollen. Aber da stand es, ein neues Lügenmärchen trieb seine Blüten, wie die Geschichte, daß er in Betty Crabtree verliebt sei, als er sie bloß ein einziges Mal nach der Abendschule im Auto mitgenommen hatte. Wilts Privatleben war mit solchen Märchen durchsetzt, Waffen in Evas Arsenal, die sie rausholte, wenn die Lage es erforderte, und über seinem Haupte schwang. Und jetzt hatte Eva das allerletzte Druckmittel in der Hand, die Puppe, Sally Pringsheim und das Flötensolo. Die Ausgewogenheit gegenseitiger Beschuldigungen, der Stützpfeiler ihrer Beziehung, hatte sich dramatisch verschoben. Von Wilt würde es eine tollkühn ausgedachte Tat erfordern, wenn er sie wiederherstellen wollte.
»Vergiß nicht, etwas Hundefutter zu besorgen.« Na, wenigstens hatte sie ihm das Auto dagelassen. Es stand in der Garage. Wilt fuhr rüber zum Supermarkt und kaufte drei Dosen Hundefutter, einen Curryrisotto im Kochbeutel und eine Flasche Gin. Heute würde er sich einen ansaufen. Dann fuhr er wieder heim, setzte sich in die Küche und sah zu, wie Clem sein Bonzo runterschlang,
Weitere Kostenlose Bücher