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Puppenmord

Titel: Puppenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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»Möglicherweise könnte man seine nach so vielen Jahren langsam etwas manische Reaktion auf den »Herrn der Fliegen« etwas ungewöhnlich nennen, aber ich habe mich nicht weiter drum gekümmert...«
    »Wenn Sie eben mal 'ne Sekunde warten könnten, Sir«, sagte der Sergeant und kramte mit seinem Notizbuch herum. »Sie sagten doch eben »manische Reaktion« oder?«
    »Ja, also, was ich damit sagen wollte ... » »Auf Fliegen, Sir?«
    »Auf den »Herrn der Fliegen«. Das ist ein Buch«, sagte Mr. Morris, nun nicht mehr sicher, ob es klug gewesen war, diesen Umstand zu erwähnen. Polizisten hatten nicht besonders viel Gefühl für diese Feinheiten literarischen Geschmacks, als was er wiederum Intelligenz definierte.
    »Ich will nur hoffen, ich habe nichts Falsches gesagt.«
    »Aber nicht im geringsten, Sir. Gerade diese kleinen Einzelheiten sind es ja, die uns helfen, uns ein Bild vom Innenleben des Verbrechers zu machen.«
    Mr. Morris seufzte. »Ich hätte bestimmt nie angenommen, daß Mr. Wilt sich als sowas entpuppen würde, als er damals von der Universität zu uns kam.«
    »Sicher nicht, Sir. Hat denn Mr. Wilt jemals was Geringschätziges über seine Frau gesagt?«
    »Etwas Geringschätziges? Du liebe Güte, nein. Dazu hatte er wohlgemerkt auch gar keinen Grund. Eva sprach für sich selbst.« Er sah traurig zum Fenster hinaus auf die riesige Bohrmaschine.
    »Also war Ihrer Meinung nach Mrs. Wilt keine sehr liebenswerte Frau?«
    Mr. Morris schüttelte den Kopf. »Sie war ein grauenhaftes Weib.«
    Sergeant Yates kaute an seinem Kugelschreiber.
    »Sie sagten »grauenhaft«, Sir?«
    »Ich fürchte, ja. Ich hatte sie mal in meinem Elementarkursus Theater im Abendunterricht.«
    »Elementarkursus?« fragte der Sergeant und schrieb es auf.
    »Ja, nur verstand Mrs. Wiltdas »elementar« ganz anders. Sie schmiß sich einfach mit allzu großer Energie auf ihre Rollen, um irgendwo überzeugend zu wirken. Ihre Desdemona neben mir als Othello ist etwas, was ich wohl nie vergessen werde.«
    »Eine ungestüme Frau, würden Sie das so sagen?«
    »Lassen Sie es mich folgendermaßen ausdrücken«, sagte Mr. Morris, »wenn Shakespeare das Stück so geschrieben hätte, wie Mrs. Wilt es spielte, dann wäre Othello derjenige gewesen, der erwürgt wurde.«
    »Ich verstehe, Sir«, sagte der Sergeant, »ich entnehme dem, daß sie keine Neger mochte.«
    »Ich habe keine Ahnung, was sie über die Rassenfrage dachte«, sagte Mr. Morris, »ich spreche von ihrer körperlichen Kraft.«
    »Eine kräftige Frau, Sir?«
    »Sehr«, sagte Mr. Morris mit Rührung.
    Sergeant Yates sah ihn verdutzt an. »Es wirkt doch seltsam, daß so eine Frau sich von Mr. Wilt einfach so umbringen ließ, ohne sich heftiger zu wehren.«
    »Mir erscheint es unglaublich«, stimmte Mr. Morris zu, »und vor allem deutet das auf einen derart fanatischen Heldenmut bei Henry hin, den sein Verhalten in dieser Abteilung nie vermuten ließ. Ich kann mir nur denken, daß er in dem Moment nicht ganz bei sich war.« Sergeant Yates hakte nach. »Dann war er Ihrer wohlüberlegten Meinung nach nicht bei Sinnen, als er seine Frau tötete?«
    »Bei Sinnen? Ich finde daran nichts Sinnvolles, seine Frau zu töten und ihre Leiche in ein . . .«
    »Ich meinte, Sir«, sagte der Sergeant, »ob Sie glauben, Mr. Wilt ist ein Irrer.«
    Mr.Morris zögerte. In seiner Abteilung gab es eine ganze Menge Kollegen, die er als geistig gefährdet bezeichnet haben würde, aber das wollte er lieber nicht an die große Glocke hängen. Andererseits mochte es dem armen Wilt vielleicht helfen.
    »Ja, ich glaube«, sagte er schließlich, denn im Grunde war er ein gutartiger Mensch. »Ziemlich verrückt. Unter uns, Sergeant, jeder, der bereit ist, diese widerborstigen jungen Row-dies zu unterrichten, die wir hier kriegen, kann nicht ganz gesund im Kopf sein. Und erst letzte Woche hat Wilt mit einem von den Druckern Streit bekommen und wurde ins Gesicht geschlagen. Ich denke, das könnte vielleicht mit seinem späteren Verhalten was zu tun haben. Ich verlasse mich darauf, daß Sie meine Äußerungen streng vertraulich behandeln. Ich möchte nicht. .. «
    »Selbstverständlich, Sir«, sagte Sergeant Yates. »Ich will Sie nicht länger aufhalten.«
    Er fuhr ins Polizeirevier zurück und berichtete Inspektor Flint von seinen Ermittlungsergebnissen.
    »Total plemplem«, verkündete er. »Das ist seine Meinung. Davon ist er ziemlich überzeugt.«
    »In diesem Fall durfte er den Kerl gar nicht anstellen«, sagte Flint.

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