Puppenmord
Freitag auf sie zukam, sahen nicht nur Inspektor Flint, Sergeant Yates, zwölf weitere Polizisten, Barney und ein halbes Dutzend Bauarbeiter, sondern auch mehrere hundert Berufsschüler auf der Treppe der Naturwissenschaftlichen Abteilung, fast das ganze Lehrerkollegium und alle acht Mitglieder des zu Besuch weilenden Komitees, die eine besonders gute Aussicht aus den Fenstern des Pseudo-Hotelfo-yers hatten, das von der Abteilung Nahrungsmittelkunde dazu benutzt wurde, mit Kellnern zu üben und besonders wichtige Gäste zu bewirten. Dr. Mayfield tat sein möglichstes, um ihre Aufmerksamkeit abzulenken.
»Wir haben den Basiskurs fundamental strukturiert, um das Interesse der Schüler zu maximieren«, sagte er zu Professor Baxendale, der das Komitee leitete, aber der Professor war nicht abzulenken. Sein Interesse wurde durch das maximiert, was aus dem Fundament des neuen Verwaltungsblocks herausstrukturiert wurde.
»Das ist ja absolut grauenhaft«, murmelte er, als Judy aus dem Loch zum Vorschein kam. Entgegen Wilts Hoffnungen und Erwartungen war sie nicht geplatzt. Dazu hatte sie der flüssige Beton viel zu fest eingeschlossen, und wenn sie zu Lebzeiten in vielen Einzelheiten einer richtigen lebendigen Frau geähnelt hatte, so hatte sie im Tod alle Kennzeichen einer richtigen Toten. Als Leiche einer Ermordeten wirkte sie vollkommen überzeugend. Ihre Perücke war verfilzt und in einer furchterregenden Schrägneigung am Kopf festbetoniert. Die Kleider klebten an ihr und Zement an den Kleidern, während ihre Beine offensichtlich bis an den Rand der Verstümmelung verdreht waren, und ihr ausgestreckter Arm hatte, wie Barney schon gesagt hatte, etwas verzweifelt Beschwörendes, was überaus ergreifend war. Das machte es aber auch außerordentlich schwierig, sie aus dem Loch zu ziehen. Die Beine erleichterten das auch nicht gerade, und obendrein hatte ihr der Beton den Umfang und die Statur annähernd von Eva Wilt verliehen.
»Ich nehme an, das versteht man unter Totenstarre«, sagte Dr. Board, als Dr. Mayfield verzweifelt versuchte, das Gespräch wieder auf den neuen Unterrichtszweig zu bringen.
»Großer Gott«, murmelte Professor Baxendale. Judy hatte den Anstrengungen Barneys und seiner Männer ein Schnippchen geschlagen und war wieder in das Loch geplumpst. »Wenn man denkt, was sie gelitten haben muß. Haben Sie diese verdammte Hand gesehen?«
Das hatte Dr. Mayfield. Es schauderte ihn. Hinter ihm kicherte Dr. Board. »Eine Gottheit hoch droben plant unser Ende und läßt es geschehen nach ihrem Wohlgefallen«, sagte er fröhlich. »Wenigstens hat Wilt die Kosten für einen Grabstein gespart. Sie brauchen sie bloß noch aufzustellen und ihr »Hier steht in Frieden Eva Wilt, geboren dann und dann, ermordet vergangenen Sonnabend« quer über den Bauch zu meißeln. Im Leben 'ne Denkqual, im Tode ein Denkmal.«
»Ich muß schon sagen, Board«, sagte Dr. Mayfield, »ich finde Ihren Sinn für Humor höchst unpassend.«
»Na, und sie einzuäschern, das schaffen die nie, das steht mal fest«, fuhr Dr. Board fort. »Und der Beerdigungsunternehmer, der fertigbringt, diese Kleinigkeit in einen Sarg zu stecken, muß schon fast ein Genie sein. Wahrscheinlich könnten sie bei ihr auch einfach einen Vorschlaghammer nehmen.«
Hinten in der Ecke fiel Dr. Cox in Ohnmacht.
»Ich denke, ich trinke noch einen Whisky, wenn Sie nichts dagegen haben«, sagte Professor Baxendale matt. Dr. May-field goß ihm einen doppelten ein. Als er sich zum Fenster wandte, kam Judy gerade wieder aus dem Loch.
»Der Haken am Einbalsamieren ist ja«, sagte Dr. Board, »daß es so teuer ist. Nun will ich nicht sagen, daß das Ding da draußen ein genaues Abbild von Eva Will ist, so wie ich sie in Erinnerung habe . . .«
»Um Himmels willen, können Sie damit denn nicht aufhören?« fauchte Dr. Mayfield, aber Dr. Board war nicht aufzuhalten. »Ganz abgesehen von den Beinen scheint auch irgendwas an den Brüsten komisch zu sein. Ich weiß, daß die von Mrs. Wilt groß waren, aber sie haben sich offenbar noch aufgebläht. Wahrscheinlich sind das die Gase. Sie verwesen ja, nicht wahr, und das würde es erklären.«
Als der Ausschuß zum Essen ging, hatten alle keinen Appetit mehr, und die meisten waren blau.
Inspektor Flint war weniger glücklich. Er war nicht gern bei Exhumierungen im entscheidenden Augenblick dabei und schon gar nicht, wenn die Leiche, um deretwillen er sich die Beine ausriß, die ausgesprochene Neigung hatte, wieder dahin
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