Puppenspiel - Inspektor Rebus 12
jetzt hatte einer von »denen« ihn schon auf dem Handy angerufen. Also blieb ihm keine andere Wahl, er musste sich eine neue Nummer zulegen.
Und was den Tequila betraf, würde er die Flasche zu der Pressekonferenz mitschleppen. Und dann würde er sie Allan Gillies zurückgeben und ihm sagen, dass er seinen Alkoholkonsum vor kurzem völlig eingestellt hatte.
Was ja nicht mal gelogen war. Auf Erfolgskurs bleiben konnte er nämlich nur, wenn er wirklich einiges in seinem Leben änderte.
Aber Grant fühlte sich der Situation gewachsen.
Das Großraumbüro in der St. Leonard's Street begann sich zu leeren. Die Beamten, die nicht für die Ermittlungen im Mordfall Balfour eingeteilt waren, stempelten sich aus und verabschiedeten sich ins Wochenende. Einige hatten sich frei-willig gemeldet, um am Samstag bei Bedarf eine Schicht zu übernehmen, andere hielten sich in Bereitschaft, um sich so fort in die Ermittlungen einzuschalten, falls an den folgenden Tagen etwas Gravierendes passieren sollte. Doch für die meisten begann das Wochenende. Sie eilten beschwingt durch die Korridore und stimmten die Refrains von alten Popsongs an In der Stadt hatte es zuletzt keine besonderen Vorkommnisse gegeben. Ein paar mittlere Familiendramen, ein, zwei Drogenrazzien. Die Beamten des Drogendezernats schlichen etwas bedrückt herum. Sie waren nämlich nach Gracemount ausgerückt und hatten dort ein Haus gestürmt, in dem schon seit längerem rund um die Uhr im Obergeschoss ein Fenster mit Silberfolie verhängt war. Sie waren in das Haus eingedrungen, um die Rauschgifthöhle auszuheben, hatten jedoch lediglich das frisch renovierte Zimmer eines Jugendlichen vorgefunden, dessen Mutter eine silberne Decke als Vorhang aufgehängt hatte, weil sie das besonders schick fand.
»Wenn die BBC doch nur endlich die verdammte Changing Rooms-Serie absetzen würde«, hatte einer von ihnen gemurmelt.
Es gab noch ein paar weitere Zwischenfälle, vereinzelte Sachen, die keine große Polizeipräsenz erforderten. Siobhan sah auf die Uhr. Sie hatte schon früher in der Zentrale angerufen und sich dort nach einem Computerfahnder erkundigt. Claverhouse hatte sie kaum zu Wort kommen lassen und nur gesagt: »Wir haben schon jemanden darauf angesetzt. Ich schick ihn euch vorbei.« Und jetzt wartete sie. Sie hatte inzwischen noch mal bei Claverhouse angerufen, ihn aber nicht erwischt. Wahrscheinlich war er gerade auf dem Weg nach Hause oder in die Kneipe. Möglich, dass er erst am Montag jemanden vorbeischickte. Sie beschloss, sich noch zehn Minuten zu gedulden. Schließlich hatte sie ja auch noch so was wie ein eigenes Leben. Zum Beispiel konnte sie am Samstag zum Fußball gehen, wenn sie Lust hatte, allerdings musste der FC Hibernian auswärts antreten. Und am Sonntag konnte sie einen Ausflug machen und sich all die Sachen anschauen, die sie schon so lange hatte sehen wollen: die Schlösser in Linlithgow und Falkland und vielleicht noch Traquair Castle. Außerdem war sie am Samstagabend zu einem Geburtstagsfest bei einem Freund eingeladen, den sie schon seit Monaten nicht mehr gesehen hatte. Eigentlich hatte sie zwar keine Lust, aber sie konnte es sich ja nochmal überlegen...
»Sind Sie Detective Clarke?«
Der Mann trug eine Aktentasche, die er auf den Boden stellte. Im allerersten Augenblick dachte sie, dass er ihr was verkaufen wollte. Sie richtete sich auf ihrem Stuhl auf und sah, dass er eine ziemliche Wampe mit sich herumtrug. Kurzes Haar, das am Hinterkopf etwas abstand. Er stellte sich als Eric Bain vor.
»Hab schon von Ihnen gehört«, sagte Siobhan. »Man nennt sie Grips, oder?«
»Manche nennen mich so, aber mir ist ehrlich gestanden Eric lieber.«
»Na gut, Eric. Machen Sie es sich doch bequem.«
Bain zog sich einen Stuhl heran. Als er saß, spannte sich sein hellblaues Hemd über dem Bauch, sodass zwischen den Knöpfen blassrosa Fleischwülste zu erkennen waren.
»So«, sagte er, »worum geht es?«
Siobhan erklärte es ihm, während Bain ihr aufmerksam zuhörte und sie permanent ansah. Ihr fiel auf, dass er etwas kurzatmig war, und sie fragte sich, ob er in der Aktentasche ein Inhaliergerät mitgebracht haben mochte.
Sie bemühte sich, ihm in die Augen zu sehen, versuchte sich zu entspannen, fühlte sich aber durch Bains schiere körperliche Präsenz und Nähe irritiert. Seine Wurstfinger waren unberingt, und die Uhr an seinem Handgelenk hatte zu viele Knöpfe. Unter dem Kinn hatte er bei der morgendlichen Rasur ein paar Stoppeln
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