Puppenspiel - Inspektor Rebus 12
nicht gedacht, dass es bei der Lothian and Borders Police üblich ist, potentiellen Zeugen Unaufrichtigkeit zu unterstellen.«
»Nur dass Ihre Stieftochter im Moment eher zum Kreis der Verdächtigen als zu dem der Zeugen zählt«, parierte Templer diese Bemerkung.
»Und worauf gründet sich dieser Verdacht? Etwa darauf, dass sie möglicherweise über das Internet ein Ratespiel veranstaltet hat? Seit wann verstößt so etwas gegen das Gesetz?«
Gill Templer war im ersten Augenblick um eine Antwort verlegen. Sie blickte Hilfe suchend zu Siobhan hinüber, die das Gefühl hatte, dass sie wenigstens einige der Gedanken ihrer Vorgesetzten lesen konnte: Der Mann hat völlig Recht... Wir wissen doch überhaupt nicht, ob Quizmaster was mit dem Mord zu tun hat... Sind doch alles bloß Mutmaßungen, die im Übrigen auf Ihrem Mist gewachsen sind... vergessen Sie das nicht...
McCoist spürte sofort, dass der Blickwechsel zwischen den beiden Polizistinnen etwas zu bedeuten hatte. Also beschloss er, bei seiner Strategie zu bleiben.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie die Chuzpe besitzen, die Staatsanwaltschaft mit diesen dürftigen Ermittlungsergebnissen zu behelligen. Man würde Sie dort doch auslachen, Hauptkommissarin Templer.« Dabei betonte er ausdrücklich ihren Dienstgrad. Offenbar wusste er, dass sie diesen Rang erst seit kurzem bekleidete, sich also gewissermaßen erst noch bewähren musste.
Doch Gill hatte sich inzwischen wieder im Griff. »Wir erwarten von Claire lediglich ein paar klare Antworten, Mr. McCoist. Ihre Geschichte klingt nämlich ziemlich dünn, und sonst bliebe uns keine andere Wahl, als weitere Nachforschungen anzustellen.«
McCoist schien nachzudenken. Siobhan stellte unterdessen eine kurze Zwischenbilanz auf: Ein Motiv hatte Claire Benzie - da sie offenbar glaubte, dass die Balfour Bank für den Selbstmord ihres Vaters mitverantwortlich war. Das Rätselspiel hatte ihr die Möglichkeit verschafft, Flip auf den Arthur's Seat zu locken. Und jetzt war ihr plötzlich die Geschichte mit dem ausgeliehenen Laptop eingefallen, der praktischerweise auch noch unauffindbar war... Als Nächstes ließ Siobhan Revue passieren, was einen Verdacht gegen Ranald Marr begründen könnte, der Flip dazu aufgefordert hatte, sämtliche E-Mails ein für alle Mal zu löschen. Ranald Marr mit seinen Zinnsoldaten, der zweite Mann in der Bank nach Balfour. Aber ihr war nicht klar, was für einen Vorteil sich Marr von Flips Tod erhoffen konnte.
»Claire«, sagte sie leise, »wenn Sie früher auf Besuch in Junipers waren, haben Sie da Ranald Marr kennen gelernt?«
»Ich verstehe nicht, was das...«
Doch Claire fiel ihrem Stiefvater ins Wort. »Ranald Marr, ja, natürlich. Allerdings habe ich nie ganz begriffen, was sie an ihm gefunden hat.«
»Wer?«
»Flip. Sie war damals total in Ranald verknallt. Eine Art Teenagerschwärmerei.«
»Und umgekehrt? War da mehr als nur diese Schwärmerei?«
»Kommen wir nicht immer weiter vom Thema ab?«, fragte McCoist.
Claire sah Siobhan lächelnd an. »Das war erst später«, sagte sie.
»Wie viel später?«
»Ich habe den Eindruck, dass sie ihn bis zu ihrem Verschwinden ziemlich häufig gesehen hat...« »Was ist denn hier los?«, fragte Rebus.
Bain, der an einem der Schreibtische arbeitete, blickte auf. »Claire Benzie wird gerade vernommen.«
»Wieso das?« Rebus beugte sich nach unten und Zog eine Schreibtischschublade heraus.
»Entschuldigung«, sagte Bain, »ist das Ihr...?«
Er wollte schon aufstehen, doch Rebus hielt ihn davon ab. »Ich bin doch sowieso vom Dienst suspendiert, haben Sie das vergessen? Halten Sie den Platz ruhig für mich warm.« Er machte die Lade wieder zu, hatte offenbar nicht gefunden, was er suchte. »Also, was macht Benzie hier?«
»Die Kollegen vom Geheimdienst haben die E-Mails gecheckt...«
Rebus pfiff durch die Zähne. »Und hat Claire Benzie was damit zu tun?«
»Wenigstens eine der Mails ist über ihr Konto gelaufen.«
Rebus dachte kurz nach. »Das will allerdings noch nichts besagen.«
»Richtig. Siobhan ist ebenfalls skeptisch.«
»Ist sie bei Benzie?« Bain nickte. »Und was machen Sie dann hier draußen?«
»Gill Templer.«
»Ach so«, sagte Rebus und verzichtete auf weitere Nachfragen.
Dann kam Gill Templer in den Raum gestürmt. »Ich möchte, dass augenblicklich zwei Leute losfahren und Ranald Marr zum Verhör hierher bringen. Wer übernimmt das?«
Sofort meldeten sich zwei Freiwillige: Hi-Ho Silvers und Tommy Fleming.
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