Puppenspiele
geben, den Journalisten für ein kleines, formloses Gespräch einzukassieren. Es war nicht nötig. Striebeck war schon auf dem Weg zu Kratz.
»Frau Rahnberg, was genau hat Ihnen der Journalist gesagt?«
»Es gibt also noch etwas, das Sie mir bislang verschwiegen haben?«
Christian war beruhigt. Anscheinend war noch nichts von den merkwürdigen Botschaften durchgesickert. Das mit dem Herzen hätte er Petra Rahnberg sowieso gesagt. Zumal es in München im April auch in den Zeitungen gestanden hatte.
»Wir wollten Sie schonen. Und ich denke, gerade jetzt und hier ist nicht der richtige Zeitpunkt …«
»Wenn Sie das bitte mir überlassen würden! Was gibt es sonst noch, was mir vorenthalten wurde?«
»Man hat Ihnen als Todesursache Ersticken genannt. Catrin ist allerdings nicht mit einem Kissen oder Ähnlichem erstickt worden. Der Mörder hat ihr eine Überdosis Narkotika verabreicht, was in letzter Konsequenz zum Atemstillstand führte.«
Nun schwankte Petra Rahnberg doch leicht. Sie stützte sich an der Buche ab, gegen die sie Volker geschubst hatte. Ihre Stimme zitterte ein wenig: »Der Journalist hat gesagt, das Herz wäre erst nach Catrins Tod entfernt worden. Stimmt das?«
»Sie hat nicht gelitten.«
Frau Rahnberg atmete tief durch und straffte sich wieder: »Ich werde mich etwa zwei, drei Stunden um meine Trauergäste kümmern. Danach komme ich ins Polizeipräsidium. Ich erwarte, dass Sie anwesend sind und mir alle Unterlagen über den Tod meiner Tochter zeigen. Ich will die Fotos sehen und den Autopsiebericht lesen.«
Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und ging zu ihrem Auto. Christian und Volker sahen ihr hinterher. Volker rieb sich den verbeulten Hinterkopf: »Starke Frau.« Christian nickte. Er begann Petra Rahnberg zu mögen.
Düsseldorf.
Clarissa Wedekind saß auf der Dachterrasse ihres Düsseldorfer Penthouses am Hofgarten mit Blick auf den Fluss und die Kö. Die Sonne ging blutrot unter, der Rhein schien in Flammen. Doch wie so oft fand Clarissa keinen Gefallen an der prachtvollen Aussicht, sie konnte nicht begreifen, was gerade mit ihrem Leben geschah. Punktgenau, kurz bevor sie den letzten Klimmzug zur höchsten Machtposition ausführen konnte, schien ihr alles aus den Händen zu gleiten, die Anstrengungen der letzten Jahre zu vernichten. Clarissa wusste, dass sie sich unterwegs jede Menge Feinde geschaffen hatte. Sie war mit Gegnern nie zimperlich umgegangen. Aber das hier war etwas anderes. Es war etwas Persönliches. Clarissa ahnte, worum es ging. Doch sie wollte es nicht wahrhaben. Alles, nur das nicht. Was wollte er von ihr? Sie hatte ihm das Geld gegeben. Wollte er mehr? Wollte er sie zerstören? Und wo hatte er das Herz her, das in diesem Päckchen war? Clarissa verbot sich jede Spekulation über die letzte, quälende Frage. Bei manchen Fragen kannte man die Antworten besser nicht. Vielleicht irrte sie sich. In allem. Und nicht er hatte ihr das Herz geschickt, sondern irgendein anderer Idiot. Vielleicht wurde sie langsam verrückt.
Während Clarissa über ihre Ungewissheit langsam in Wut geriet, verschwand das glühende Abendrot und wich einer dunklen Wolkenwand, die sich über Düsseldorf breitete wie eine zu schwere Daunendecke. Wind kam auf. Clarissa bemerkte es erst, als die leere Gießkanne mit lautem Scheppern umfiel und sie aus ihren düsteren Vorahnungen riss. Erste, dicke Regentropfen fielen. Sie lehnte den Kopf nach hinten und ließ ihr Gesicht von den Tropfen kühlen. Doch auch davon wurde ihr nicht wohler.
Sie ging hinein und zog die Terrassentür hinter sich zu. Der Wind wurde stärker und peitschte die Regentropfen gegen die Glasscheiben. Clarissa goss sich zwei Fingerbreit Cognac ein und sah sich um: Penthouse mit Concierge-Service rund um die Uhr. Alles vom Feinsten. Ihre Einrichtung war edel, stilsicher und repräsentativ. Vor drei Jahren war sogar eine Redakteurin von einer Architekturzeitschrift hier gewesen und hatte eine Homestory über die erfolgreiche Wissenschaftlerin und Managerin gemacht. Spätestens da hatte Clarissa gewusst, dass es für sie kein Halten mehr geben würde auf dem Weg nach oben. Und sie würde sich auch jetzt definitiv keine Knüppel zwischen die Beine werfen lassen, von nichts und niemandem!
Clarissa atmete tief durch, stellte entschieden das Glas ab und griff zum Telefon.
»Hallo, Herbert, ich bin’s. Clarissa.«
»Clarissa, wie schön! Ist lange her.«
»Ich brauche deine Hilfe.«
»Offiziell oder inoffiziell?«
»Die
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