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Puppenspiele

Puppenspiele

Titel: Puppenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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›Alraune‹.«
    Annas Kinn klappte für eine Sekunde nach unten, dann schlug sie sich an die Stirn: »Natürlich!«
    Christian kannte sich nicht so gut wie Anna mit Filmen aus. Striebeck ging es genauso: »Kann mich bitte schön mal jemand aufklären?«
    Kratz füllte die Weingläser auf, während Petra erzählte: »Der Film ist von 1952 und nahm so einiges an den eben erwähnten Diskussionen vorweg. Die Knef spielt eine junge Frau namens Alraune, die das Ergebnis eines Experiments ist. Ihr angeblicher Vater, ein obskurer Wissenschaftler, hat eine Prostituierte mit dem Samen eines gehenkten Mörders befruchtet. Der Wissenschaftler will beweisen, dass Bosheit bereits in den Genen verankert ist. Und in der Tat scheint Alraune einen schlechten Charakter zu haben. Sie agiert herzlos. Doch die Liebe könnte sie retten. So ungefähr der Inhalt des Films. Damit versteht man auch den Sinn des Liedtextes. Wissen Sie, wie der Wissenschaftler im Film heißt? Ten Brinken.«
    »Unser Thorsten Brinken«, murmelte Christian. »Passt ja prima zu Rotwang und Frankenstein.«
    Nun blickte Petra irritiert.
    »Rouge-Joue in Straßburg. Der Rotwang aus ›Metropolis‹. Und Frank Niklas Stein. Frank N. Stein. Für Jennys Entführung hat er ein Auto angemietet unter dem Namen Marc Shelley.«
    »Mary Shelley«, murmelte Petra. »Die Autorin von ›Frankenstein‹. Und Rotwang! Natürlich! Dass ich darauf nicht gekommen bin!«
    »Zu ›Alraune‹ gäbe es noch etwas zu sagen«, meinte Anna. »Der Name erklärt nämlich auch endlich die Nachricht bei Mira Weininger.«
    »Genau«, stimmte Petra zu. »Botanisch gesehen sind Alraunen Nachtschattengewächse. Kulturgeschichtlich gilt die Alraune als Zauberpflanze. Man nennt sie auch Galgenmännlein. Es entsteht aus dem Harn oder dem Sperma eines gehängten Diebes unter dem Galgen. Dieses Galgenmännlein soll seinem Besitzer Glück und Reichtum bescheren. Es geht dabei um die Wurzel, die deutlich Menschengestalt erahnen lässt.«
    »Nur ist diese Wurzel äußerst schwer zu beschaffen«, fuhr Anna fort. Petra und sie wirkten wie ein eingespieltes Dozententeam. »Man lässt sie am besten an einem Freitag vor Sonnenaufgang von einem schwarzen Hund aus der Erde reißen, was übrigens sogar in Goethes ›Faust‹ erwähnt wird.«
    »Wieso von einem Hund?«, fragte Kratz dazwischen. Er kritzelte eifrig in einem Notizblock.
    »Um zu überleben. Man muss weit genug weg sein von der Alraune und die Ohren mit Baumwolle oder Wachs verstopft haben, denn wenn die Pflanze ausgerissen wird, die an den Schwanz des Hundes angebunden wurde, stößt sie einen schrecklichen Schrei aus. Wer den Schrei hört, stirbt sofort vor Schreck. In diesem Falle der Hund, den man mit etwas Futter von der an ihm festgebundenen Pflanze weglockt und der so die Wurzel aus der Erde reißt.«
    »Verstopft euch die Ohren, damit ihr den Schrei nicht hört! Das stand auf dem Zettel, der bei Mira lag.« Christian begann die Dimension der Zusammenhänge zu erahnen. Fragte sich nur, wie der 27-jährige Arzt Niklas Schmitt ins Bild passte.
    Während Petra erzählt hatte, hatte Daniel wie verrückt auf seinem Laptop herumgetippt. Nun meldete er sich zu Wort: »Mit diesen neuen Aspekten kann man auch endlich die Bedeutung des Satzes entschlüsseln, der bei Catrin Rahnberg lag. Ich lese jetzt einen Textauszug vor, den ich gerade ausfindig gemacht habe. Danke, Frau Rahnberg für die neue Stichwortsuche! Also: Der Autor heißt Arnold Höllriegel. Der Artikel ist überschrieben mit ›Homunculus‹ und erschien im ›Berliner Tageblatt‹ am 13.6.1912. 1912, lasst euch das bitte auf der Zunge zergehen!« Daniel war sichtlich zufrieden, ein weiteres Rätsel gelöst zu haben. Mit ruhiger Stimme trug er Teile des Textes vor:
     
    »Ein Professor – es steht schon im Faust – hat einen künstlichen Menschen geschaffen … Der Lärm der Welt sollte stillstehen, wir sollten atemlos warten: am Tore des Seins steht der erste Mensch, der keinen Vater hat … Lauscht: es ist etwas Neues auf diese alte Welt gekommen. Und es kann kein Zweifel sein, dass Homunculus gerade in unseren Tagen zum Ereignis wird … Eine Frage: Gibt es irgendwo eine moderne Frau, die Mutter und nicht Weih, Gebärerin und nicht Geliebte sein möchte? Ja? Dann war das ethische Problem des Homunculus schon auf der Welt; der Rest, die Lösung, war nur noch eine Frage der Technik. Auf dieser Welt der Menschen geschieht nichts, was gegen den Geist der Menschen ist. Was aber im Geiste

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