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Puppentod

Titel: Puppentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Winter
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ein Gourmet-Restaurant. Das ist auch sehr schick.«
    »Nein, das ist alles nicht das Richtige«, sagte er gequält. »Solcher Schickimicki-Kram passt nicht zu Lisa. Es darf nicht so hochgestochen sein.«
    Frau Meierhöfer überlegte. »Wie wär’s mit der Hütte?«
    »Natürlich!« An die Hütte hatte er überhaupt nicht gedacht. »Frau Meierhöfer, Sie sind ein Schatz!« Er beugte sich quer über den Schreibtisch und drückte ihr übermütig einen Kuss auf die linke Wange. Daraufhin sah sie ihn so erschrocken an, dass er laut lachen musste.
    »Dann werde ich mal den Sepp anrufen«, sagte sie und rückte ihre verrutschte Brille zurecht. »Er soll für morgen alles vorbereiten, eine Schlittenfahrt organisieren,
den Ofen ordentlich einheizen und ausreichend Champagner kalt stellen.«
    »Keinen Champagner!«, rief Michael mit erhobenem Zeigefinger. »Der Sepp soll unten in Kitzbühel ausreichend Tee und Saft besorgen.«
    Frau Meierhöfer runzelte erstaunt die Stirn. Dann griff sie zum Telefonhörer und sagte: »Ich werde mich um alles kümmern. Aber Sie fahren jetzt nach Hause und nehmen bitte zwei Kapseln Baldrian.«
    Er atmete tief durch. »Meinen Sie, Baldrian hilft?«
    »Gegen Ihre Krankheit wahrscheinlich nicht«, antwortete Frau Meierhöfer.

    Zwei schnaubende Pferde zogen den Schlitten durch den Kitzbüheler Winterwald. Riesige Schneehügel hatten sich entlang der Wege aufgetürmt. Somit waren die Wege nur noch sehr schmal - teilweise sogar gefährlich schmal -, doch der Sepp, vorn auf dem Kutschbock, brachte sie sicher nach oben zur Hütte.
    Eingepackt in warme Decken, saß Michael so dicht neben Lisa, dass er sogar den Mut fand, den Arm um sie zu legen. Erst ein wenig zögerlich, doch als sie es geschehen ließ, zog er sie fester an sich heran. Daraufhin drehte sie ihm lächelnd ihr Gesicht zu. Sie schien sich wohlzufühlen, und die Schlittenfahrt gefiel ihr, das machte ihn sehr glücklich.
    Es war ein Traumtag. Der Himmel erstrahlte in einem kräftigen Azurblau, und die Schneelandschaft glitzerte in der Wintersonne wie ein weißer Sternenteppich.

    Manchmal war es so hell, dass sie die Augen zusammenkneifen mussten, und Michael ärgerte sich, keine Sonnenbrillen mitgenommen zu haben. An dicke Mützen hatte er ebenfalls nicht gedacht.
    Aber Lisa schien das egal zu sein. Sie genoss die Fahrt durch die winterlichen Berge, obwohl sie vor Kälte schon ein rotes Gesicht hatte und ihre Hände gefährlich blau aussahen. Sie trug keine Handschuhe und ließ während der Fahrt ihre Finger durch die mit Schnee bedeckten Tannenzweige schweifen.
    »So viel Schnee habe ich noch nie gesehen«, rief sie übermütig.
    Das erstaunte Michael sehr. War sie im Winter nie in den Bergen gewesen?
    »Sieh mal dort vorn …«, rief sie plötzlich und zeigte nach rechts.
    Rehe flohen über eine Lichtung in den Wald.
    »Hier oben sieht man sehr viel Wild, vor allem in diesem Waldstück«, erklärte er ihr. Das wusste er, weil der Wald bereits zur Hütte gehörte und Sepp, der Haus und Gut verwaltete, sich jeden Winter auch um die Tiere kümmerte.
    Der Schlitten bog nach rechts ab und machte vor einer Schranke halt, die Sepp per Hand öffnen musste. Dann steuerten sie direkt auf das Haus zu. Eingebettet in die verschneite Berglandschaft, sah dieses typische Almhaus so schön und idyllisch aus wie ein Postkartenmotiv.
    Der Begriff Hütte war für das große, rustikale Haus eigentlich eine vollkommen falsche Bezeichnung. Es war
früher einmal Teil eines Bergbauernhofes gewesen, der der Familie von Michaels Großmutter gehörte. Viele Generationen lang hatten sie den Hof bewirtschaftet, und wäre der Bruder seiner Großmutter nicht bei einem Jagdunfall ums Leben gekommen, wäre das wahrscheinlich heute auch noch so.
    Für Michaels Großmutter aber, die die einzige Erbin war, kam ein Leben auf dem Hof nicht infrage. Außerdem war sie zu diesem Zeitpunkt bereits mit seinem Großvater verheiratet, und der hatte gerade die Firma gegründet. So nutzten sie den Hof nur noch für Wochenendbesuche, und Michael durfte mit seinen Freunden hier oben die Schulferien verbringen. Das gehörte zu seinen schönsten Kindheitserinnerungen.
    Allerdings hatte sein Vater inzwischen alles verändert. Nachdem aus der kleinen Firma Westphal-Pharmazeutika das internationale Unternehmen MediCare geworden war und die Gewinne in die Höhe schnellten, ließ er die Stallungen und die alte Scheune abreißen und das einfache Bauernhaus in ein komfortables Bergdomizil

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