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Puppentod

Titel: Puppentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Winter
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nun aufgeklärt.« Sie rang sich ein Lächeln ab.
    Doch nicht nur Frau Meierhöfer, auch er selbst war über Lisas Erscheinen sehr erstaunt. An der Anmeldung hatte man Lisa noch nie gesehen. Sie hätte nicht ohne Weiteres durchgelassen werden dürfen, denn bei
MediCare gab es strikte Anweisungen für den Empfang von Besuchern. Jeder Besucher musste persönlich abgeholt oder von einer der Empfangsdamen in das entsprechende Büro begleitet werden. Niemandem, aber auch niemandem, der nicht zur Firma gehörte, war es möglich, einfach so alleine durch das Gebäude zu spazieren. Außerdem war es für fremde Personen ausschließlich über den Haupteingang zu betreten. Alle anderen Zugänge öffneten sich nur mit einer speziell codierten Magnetkarte.
    »Und an der Anmeldung haben sie dich einfach durchgelassen?«, wollte er wissen.
    »Das war überhaupt kein Problem«, erwiderte Lisa. »Ich habe ihnen gesagt, ich sei vom Pizzaservice.«
    »Das ist nicht dein Ernst!«
    »Doch.« Sie schlang die Arme um seinen Hals. »Hast du Zeit?«
    »Jetzt? Wofür?«
    »Für eine Überraschung«, sagte sie und lächelte geheimnisvoll.
    Was denn für eine Überraschung? War Lisa etwa schwanger? Michael träumte schon von dem Ultraschallbild auf seinem Kopfkissen. Vor Freude begann sein Herz zu klopfen.
    »Also gut. Wohin fahren wir?«
    »Das wird nicht verraten.«
    Er nahm seine Jacke und meldete sich für zwei Stunden bei Frau Meierhöfer ab. Kaum hatte er jedoch mit Lisa das Sekretariat verlassen, tat er so, als hätte er etwas vergessen und ging zurück. Die Sache mit dem Pizzaservice
ließ ihm keine Ruhe. Wenn sein Vater davon erfuhr, würden alle am Empfang entlassen werden.
    »Ist noch was?«, fragte Frau Meierhöfer.
    Er beugte sich über ihren Schreibtisch und sagte im Flüsterton: »Wir müssen dringend klären, seit wann die Damen unten am Empfang jemanden durchlassen, der behauptet, vom Pizzaservice zu sein.«
    Entsetzt blickte Frau Meierhöfer über den Rand ihrer Brille. »Um Himmels willen, haben sie das?«
    Er nickte mit ernstem Gesicht.
    »Dann werde ich mich sofort darum kümmern«, entgegnete Frau Meierhöfer und griff bereits zum Telefon, während sie murmelte: »Das sind ja Zustände wie im alten Rom.«
    »Nur gab es damals noch keinen Pizzaservice«, fügte Michael augenzwinkernd hinzu. Danach lief er eilig zurück zu Lisa, denn er war gespannt auf ihre Überraschung.

    Der Weg, den Lisa nahm, kam Michael irgendwie bekannt vor. Hier waren sie neulich schon einmal gewesen.
    Sie fuhren wieder durch das kleine Dorf und bogen hinter dem Ortsausgangsschild in den unbefestigten Weg ein, der zu der weißen Kirche führte. Vor dem einsamen, mit Efeu bewachsenen Haus am Waldrand parkte Lisa den Wagen.
    »Was machen wir hier?«, fragte Michael verwundert.
    »Wir werden uns das Haus anschauen«, sagte sie, während sie ausstieg.

    Das Haus? Hatte er sich verhört? Verärgert sah er sie an.
    »Du holst mich aus dem Büro, damit wir uns diese Bruchbude anschauen?«
    »Die Maklerin hatte nur jetzt Zeit.«
    »Welche Maklerin?«
    »Die, die das Haus verkauft.«
    »Das ist ein Scherz, oder?«
    Ein Scherz aber war es nicht, wie Michael feststellte, denn in diesem Moment fuhr ein silbergrauer BMW vor, dem eine kleine, nicht ganz schlanke Frau entstieg. Ihr Name war Frau Lämmers. Sie war um die fünfzig, trug ein graues Kostüm mit weißer Bluse und roch nach einem süßen Parfüm.
    Als Michael ihr die Hand gab und seinen Namen nannte, gruben sich nachdenkliche Falten in ihre gepuderte Stirn.
    »Kennen wir uns?«, fragte sie.
    Er verneinte. Während die Maklerin den Hausschlüssel zückte, fiel sein Blick auf das Schild mit der Aufschrift Zu verkaufen. Schon fast nicht mehr lesbar, stand darunter eine Telefonnummer, womit sich zumindest die Frage erübrigte, wie Lisa an diese Frau gekommen war.
    »Wollen wir?«, fragte Frau Lämmers und stakste voran, darauf bedacht, mit den Absätzen ihrer Stöckelschuhe nicht in den Ritzen des Kopfsteinpflasters hängen zu bleiben.
    »Sehen Sie sich nur diesen großen Garten an«, schwärmte sie. »Ist das nicht toll? Es wird ein bisschen Arbeit notwendig
sein, ihn wieder herzurichten. Aber wenn es hier blüht und grünt, wird man Sie beneiden, das schwöre ich Ihnen. Allein schon wegen der herrlichen Rosensträucher am Gartenzaun. Schauen Sie sich doch nur diese Pracht an. Und diese Waldrandlage! Wirklich sehr idyllisch. So ruhig, nicht wahr? Alles wie geschaffen für ein trautes Heim.«
    Michael

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