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Purgatorio

Purgatorio

Titel: Purgatorio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tomás Eloy Martínez
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oder welche Sprache die fremden Besucher auch immer hatten, in Argentinien wurden sie wie ein neuer Glaube aufgenommen. Auf der Titelseite der Zeitschrift
Dimensión Desconocida
formulierte der Schauspieler Fabio Zerpa eine Frage, die der Bischof in der Sonntagspredigt lobte: »Sind wir so eingebildet, dass wir uns für die einzigen Kinder Gottes im Universum halten?«
    Die Romanze des Vaters mit der Balmaceda dauerte bereits ein Jahr, als Bonavena umgebracht wurde. Die Fußballweltmeisterschaft war im Anzug, und alle Frauen, ausgenommen Mannequins und Stripperinnen, verschwanden aus den Nachrichten. Die Balmaceda war verzweifelt, weil sie wegen ihrer Witwenschaft und des Desinteresses der Militärs der Vergessenheit anheimfiel. Ihr letzter Roman stammte aus dem Jahr 1974 , und sie schrieb an keinem neuen. Anfang Juni, kurz vor dem Eröffnungsspiel, erlag sie den Versuchungen des Rampenlichts und veröffentlichte in der Zeitschrift
Somos
einen Artikel, in dem sie sich erbot, die argentinischen Spieler in den Umkleidekabinen und beim Training in den Fitnessräumen zu »motivieren« (das war das Wort, das sie gebrauchte). Der Titel des Textes lautete »Das Vaterland zuerst« und war das Gespött der Kasernen. Der Vater fühlte sich durch das Geschreibsel der Geliebten so erniedrigt, dass er ihre Anrufe nicht mehr entgegennahm. Ohne lange zu fackeln, ersetzte ihn die Balmaceda durch einen Tennischampion, der mit ihr vor den Fotografen neben der Vitrine mit seinen Trophäen protzte, und danach durch einen Kapitän zur See, welcher die Ländereien des im All verschollenen Ehemannes übernahm.
    Beharrlich bot sie der Geißel des Alterns die Stirn. Auf den Fotos in
Gente
konnte man Schritt für Schritt, Monat für Monat verfolgen, wie die Falten um die Nase, die Augenringe, die Lappen des Doppelkinns immer weniger wurden, wie sich ihre Augen weiteten und die Lippen füllten und wie Brüste und Hintern den Verhängnissen der Schwerkraft trotzten. Als sie die Zyklen ihrer Rückeroberung der Jugend vollendete, entdeckte Nora eine weitere Goldader und verkaufte abermals Tausende Bücher. In einer mystischen Anwandlung beschrieb sie ein Freistilringturnier zwischen den sechsflügeligen Seraphim und den vierflügeligen Cherubim, verfasste unverständliche Seiten, die die Leute jedoch voller Verehrung und aus dem Gedächtnis zitierten und die ihr nach eigenen Worten von seligen Engeln nach einem Besuch bei Gott diktiert worden waren. Ihren größten Erfolg feierte sie, als sie verkündete, im offenen Gelände von Esteco, tausenddreihundert Kilometer nordwestlich von Buenos Aires, zufällig Zeugin bei der Erscheinung der Jungfrau Maria gewesen zu sein. Ende des 16 . Jahrhunderts war dort eine blühende Stadt gegründet worden, aber als Nora Balmaceda auf ihrer Suche nach Engeln an einer Militärpatrouille vorbeikam, gab es nur noch Ödland. Irgendwo hatte sie gelesen, dass Esteco 1692 vom Erdbeben zerstört worden war und die erzürnten Winde des Herrn seine aufsässigen Einwohner ausgerottet hatten. Am linken Flussufer des Pasaje, wo ein zwei Meter hoher Menhir an die ehemalige Siedlung erinnerte, lernte Nora eine kleine Ziegenhirtin kennen, die jeden Mittwoch im Morgengrauen von der Muttergottes besucht wurde. Sie erzählte Nora, die Jungfrau sei eine gesichtslose, in einem Lichtumhang verhüllte Gestalt mit sanfter Stimme. »Diese Erscheinungen können nur die Muttergottes sein«, schrieb Nora. »Unsere Liebe Frau ist in die Welt zurückgekehrt, um den Gewalttätigkeiten des atheistischen Anarchismus ein Ende zu setzen und die reuigen Sünder zu erlösen.« In ihren Gesprächen mit der Hirtin verlangte die Jungfrau, dass an Ort und Stelle eine Hochsicherheitsbasilika errichtet werde (sie wollte eine Basilika, keine Kapelle, übersetzte Nora), wo sie die Zauderer persönlich läutern und in den Himmel geleiten werde. Die Nummer der Zeitschrift, in der die Reportage erschien, verdreifachte ihre Auflage, und bevor sich der Ort mit Pilgern füllen konnte, holte die Militärregierung die kranken Gefangenen aus den Gefängnissen und hieß sie die Fundamente der neuen Kirche ausheben. Zwei Monate nach ihrem Besuch bei der Hirtin schrieb Nora, voller Freude habe das Mädchen die Gefangenen auf einem Lichtteppich zu den Wolken auffahren sehen. In einem lokalen Rundfunksender hörte man die Seherin sagen: »Die Engel haben sie emporgetragen!«
    Nora Balmaceda lebte noch eine Weile in der Ekstase ihres Erfolges und unter einer Flut von

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