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Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln

Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln

Titel: Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Cramer
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Schalen in die mit Wasser gefüllten Kalkgruben zum Ablöschen geben können. Später schlug man sie mit Stöcken und langen Gerten zu einem feinen Brei, den man mit Wasser verdünnt als schützenden Anstrich für die Häuser verwenden konnte. Neben der portugiesischen Festung und einer Moschee trugen bereits ein paar Gebäude in unmittelbarer Strandnähe den strahlend weißen Anstrich, der die salzige Meeresluft von den Ziegelmauern fernhielt. Diese neue Erfindung von Abu Alî erfüllte Mirijam mit Befriedigung.
    Haditha, Mirijams schwarze Dienerin, stand mit unbewegter Miene und verschränkten Armen hinter ihrer Herrin. Auch ihre Blicke gingen hinüber zum Festland und den Brennöfen.
    Wer flüsterte ihr nur immer wieder neue Ideen ein, grübelte sie. Das konnten doch nur die Dschinn sein. Woher denn, wenn nicht von übermenschlichen Wesen, bezog ihre Herrin ihr Wissen? Sie konnte nicht nur lesen und schreiben wie der Imam, und der war immerhin ein Mann, ein Gelehrter noch dazu. Sie las darüber hinaus Bücher und Schriften in fremden Sprachen, Bücher, die von Ungläubigen oder Abtrünnigen verfasst waren! Kein Mensch und schon gar keine Frau tat etwas Derartiges. Da mussten mächtige Geister ihre Hand im Spiel haben. Wer sich aber einmal mit ihnen einließ, konnte nie mehr zurück, das wusste jeder. Sie alle, die für Lâlla Azîza arbeiteten und mit ihr lebten, sie alle würden deshalb irgendwann mit schlimmen Krankheiten, mit Unglück, Leid und Tod bestraft werden. Unauffällig streckte sie die fünf Finger ihrer rechten Hand als Schutz gegen den bösen Blick in Lâlla Azîzas Richtung.
    Drüben auf dem Festland hatte sie hohe Brennöfen errichten lassen. Keiner konnte sagen, was im Inneren der Öfen geschah, denn äußerlich sah man den Schneckenhäusern nach dem Brennen keine Veränderung an. In der Hitze und Dunkelheit musste aber etwas mit ihnen geschehen sein, ein geheimer Zauber, denn kaum kamen sie wieder ans Tageslicht, hatten sie ihr Wesen, ihre Eigenschaften vollkommen verändert. Böse Nachtgeister oder vielleicht sogar der sheitan selbst könnten dabei eine Hand im Spiel haben, dachte Haditha zum wiederholten Male. Die Wunden an Hocines Armen und Beinen waren ein sicheres Zeichen dafür, dass es bei den Brennöfen nicht mit rechten Dingen zuging, dass vielmehr ein böser Zauber im Spiel war.
    Ihr schöner, stattlicher Hocine, der an den Öfen arbeitete, hatte ihr zwar wiederholt versichert, dass die Unfälle seine eigene Schuld seien, sie aber wusste es besser. Gegen Dschinn oder den sheitan richtete Vorsicht allein nun einmal nichts aus! Nein, sie war sich sicher, Lâlla Azîza ließ sich von gefährlichen Mächten helfen.
    Haditha legte ihre Hände in Gebetshaltung zusammen und flüsterte hastig einen Vers aus dem Koran, bevor sie die Arme wieder vor der Brust zusammenlegte.
    » Es läuft gut«, meinte Mirijam zu Haditha und deutete auf die Kalkbrennerei, » dein Hocine ist tüchtig.«
    Trotz der Hilfe von Hocine, von Hassan und Mama Fatiha, Hadithas Mutter, die die Bottiche beaufsichtigte, überkam Mirijam zurzeit manchmal das Gefühl, sich übernommen zu haben. Kaum hatte sie irgendwo ein Problem gelöst, tauchte an einer anderen Stelle ein neues auf. Und ausgerechnet jetzt schweiften ihre Gedanken oft ab.
    » Wo der Kapitän bloß bleibt?«, murmelte Mirijam beim Blick über das Meer.

42
    Mirijam blieb an der Tür zu Abu Alîs kahlem Zimmer stehen. Derselbe Anblick hatte sich ihr vor nur wenigen Wochen schon einmal geboten: Der Abu in den weißen Tüchern eines Mekka-Pilgers, barhäuptig auf einem Hocker sitzend. Wie damals fehlten auch jetzt sämtliche Bücher, Teppiche und Wandbehänge. Der Raum war leer. Lediglich ein Tischchen, auf dem Weidenrinde und Binden aus weißer Baumwolle in Griffnähe lagen, sowie Abus Arztkiste und einige Öllampen standen bereit. In deren Licht, wusste sie, sollte sie das zweite erkrankte Auge ihres Abus vom Schleier des Stars befreien.
    Alles war genau wie damals vorbereitet, nur die Trommeln der gnaoua fehlten. Mirijam schluckte. Diese zweite Augenoperation kam zwar nicht überraschend, dennoch hätte sie sich gewünscht, sie wäre nicht notwendig. Ein tiefer Seufzer entfuhr ihr.
    » Ist es schlimmer geworden?«, fragte sie. Mit Sorge forschte sie in Abu Alîs Gesicht.
    Der Alte nickte: » Erheblich schlimmer, ich fürchte, wir können nicht länger warten.«
    Sie nahm eines der neu aus Venedig eingetroffenen Vergrößerungsgläser zur Hand und untersuchte

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