Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
Geringste zu schaffen«, fuhr er fort. » Im Gegenteil. Vor kurzem nahmen mich ihre Werber gefangen, verschleppten mich gewaltsam in den Kerker und zwangen mich schließlich, an diesem Angriff teilzunehmen.«
» La illah illalah, Gottes Wille geschieht.« Der Sheïk nickte. Dann schritt er langsam um Cornelisz herum und besah sich den Gefangenen von allen Seiten. Als er wieder vor ihm stand und in sein Gesicht schauen konnte, nickte er erneut.
» So bist du also tatsächlich jener junge Maler, der unter Anahids Schutz in ihrem Hause lebte? Du hast dich verändert und bist ein Mann geworden. Allahs Wege sind wahrlich unergründlich! Wie geht es deinem Bein, ist es gut verheilt? Und wie geht es deinem Freund, dem Steuermann? Du bist doch jener schiffbrüchige Junge, den ich vor Jahren mit meiner Karawane nach Santa Cruz geleitete!«
6. Teil
MOGADOR 1525 – 1526
48
Mirijam saß über einem neuen Teppichmuster, als einer der Arbeiter angelaufen kam und ans Tor schlug. » Das Schiff des Portugiesen!«, rief der Mann. » Die Santa Anna läuft ein!«
Ihr Herz machte einen Satz. Sofort sprang sie auf und rannte hinauf in das Turmzimmer. Soeben tauchten die Segel aus dem grauen Dunst über der Bucht auf, wurden größer und weißer, und dann sah sie die Santa Anna auf einer schäumenden Bugwelle in den Hafen einlaufen. Bei dem Anblick wurden ihr die Knie weich, und sie musste sich festhalten.
Es war Kapitän Alvaréz’ erster Besuch in Mogador, seitdem Abu Alî die Möglichkeit einer Ehe mit dem Portugiesen angedeutet hatte.
Die Salzlieferung, auf die sie so dringend gewartet hatten, war zwischenzeitlich von zwei Fischerbooten geliefert worden. » Die Santa Anna hat eine dringende Fracht zu den Kanarischen Inseln und kommt später«, hatte es geheißen. Wenigstens hatte er an das Salz gedacht, wenn er schon nicht persönlich erscheinen konnte, dachte sie. Sie wusste nicht, ob sie über Letzteres froh oder verärgert sein sollte.
Seit Wochen ging es in ihrem Kopf drunter und drüber. Die Andeutung des Abu hatte sie vollkommen überrascht. Was für eine Vorstellung, verheiratet zu sein! Verwirrt und unentschieden hatte sie sich bei dieser Vorstellung gefühlt, heute Ablehnung, morgen Sehnsucht, am nächsten Tag erneut Vorbehalte, so ging es hin und her.
Je häufiger sie jedoch an den Kapitän dachte, an seine lustigen Augen, die breiten Schultern und sein Lachen, desto verlockender kam ihr die Idee vor. War er nicht ein attraktiver Mann? Immer wieder kehrten ihre Gedanken zu ihm zurück, selbst in unpassenden Situationen, zum Beispiel, wenn sie die Zutaten für eine neue Küpe abmessen musste. Diese Arbeit erforderte eigentlich höchste Konzentration. Wie konnte sie ausgerechnet in einem solchen Moment an blaue Augen denken? Dennoch, je öfter sie an ihn dachte, desto anziehender erschien er ihr. Miguel, was für ein schöner, wohlklingender Name. Wahrscheinlich hatte sie einmal sogar von ihm geträumt, wenngleich sie sich dessen nicht sicher war. Jedenfalls war da ein Mann gewesen, der hatte ihr Gesicht gestreichelt und ihren Mund geküsst. Wie dem auch sei, Ordnung und Klarheit im Kopf gehörten offenbar der Vergangenheit an, und vernünftige Überlegungen scheiterten. Seit Abu Alîs Andeutung war sie nicht mehr sie selbst.
Schon eine gute Stunde später erschien Kapitän Alvaréz mit langen Schritten und einem strahlenden Lächeln. Sein Matrose José schleppte eine eisenbeschlagene Holzkiste hinter ihm her, die der Kapitän ins Haus tragen ließ, bevor er Alî el-Mansour begrüßte.
Der alte Hakim hatte sein Krankenlager verlassen. Den Verband über dem frisch operierten Auge musste er allerdings nach wie vor tragen, wenigstens noch zwei Tage lang. Abu Alî erschien in weißen Gewändern mit goldener Stickerei, und auch Mirijam hatte sich umgezogen. Nun stand sie im Gang, hörte auf die dröhnende Stimme des Kapitäns und die ruhigen Erwiderungen von Abu Alî und versuchte, ihre Aufregung zu bezwingen. Sie straffte den Rücken und öffnete die Tür.
Im großen Salon erstarb das Gespräch. Die Gesichter der Männer wandten sich ihr zu, das bärtige mit den blauen Augen ebenso wie das dunkle mit dem weißen Kinnbart und dem Verband. Kapitän Alvaréz schien einen Moment wie gelähmt zu sein. Dann sprang er auf die Füße und verbeugte sich tief.
» Willkommen, Kapitän Alvaréz.« Mirijam reichte dem Portugiesen die Hand. » Seid Ihr wohlauf?«
» Wohlauf, jawohl.« Der Kapitän starrte Mirijam an wie eine
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