Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
gut. Ebenso mochte sie es, dass es an Bord nach Teer, nach Sonne, nach Salz und Fisch roch. Es war der Duft der Heimat.
Mirijam lag in den weichen Kissen und beobachtete die Flugkünste einiger Möwen, während Lucia einen Spitzenkragen an den Ausschnitt ihres blauen Seidenkleides nähte. Sie war der Meinung, das würde ihren Busen besser zur Geltung bringen.
» Ich bin sicher, Fernando schenkt mir einen kleinen Mohren, wenn ich ihn darum bitte«, überlegte sie gerade und blickte träumerisch in die Wolken. » Er muss natürlich eine hübsche, bunte Livree tragen, mit einem niedlichen Seidenturban. Stell dir nur vor, wie er hinter mir geht, meinen Fächer oder mein Tüchlein trägt und mich überallhin begleitet. Das wird sicher großen Eindruck machen. Aber was erzähle ich, davon verstehst du ja doch nichts.«
Neuerdings redete Lucia beinahe ununterbrochen von ihrer baldigen Hochzeit, ihrem zukünftigen Ehemann und dem eleganten Leben, das vor ihr lag. Manchmal tat sie sogar, als könne sie es kaum noch erwarten, in die Arme dieses Fernando zu sinken. Glaubte sie etwa selbst daran?
» Natürlich verstehe ich das! Ist ja nicht schwer.« Lucia war wirklich unerträglich, ärgerte sich Mirijam, sie war schließlich kein Kleinkind mehr. Im Gegenteil, es war doch Lucia, die sich fast wie ein Kind verhielt und jedem ernsthaften Gespräch auswich. Stattdessen nichts als ein Krägelchen hier und ein paar Biesen dort, als ob es darum ginge! Oder hatte sie auch nur ein einziges Mal das Thema Vater angesprochen oder es wenigstens zugelassen, dass sie, Mirijam, davon sprach? Als hätte sie Angst, drehte Lucia den Kopf zur Seite und wischte mit der Hand durch die Luft, als wolle sie Spinnweben beiseiteschieben, sobald Mirijam darauf zu sprechen kam. Lucia wollte nichts hören, nichts von Antwerpen und schon gar nicht vom Tod des Vaters, dabei hätten sie sich doch gegenseitig trösten können! » Ich kann nicht«, behauptete sie, » es macht mich schwermütig. Ich muss nach vorn schauen.« Als sie die Tränen in ihren schönen blauen Augen sah, hatte Mirijam natürlich nachgegeben, Heimweh und Trauer aber blieben. Inzwischen hielt sie manchmal, wenn sie vorn im Bug stand und ihr Blick sich zwischen den Wellen des Meeres und dem Himmelsblau verlor, eine Art Zwiesprache mit Vater. Das war zwar nicht dasselbe, als wenn sie mit Lucia sprechen könnte, aber ein wenig tröstete es doch.
» Na ja, du bist eben noch keine Braut, deshalb.« Lucia schlug einen sanfteren Ton an, aber Mirijam ärgerte sich dennoch. Seit gestern fühlte sie sich nicht gut, sie hatte Bauchweh. Außerdem plagte sie Heimweh!
Auf dem Achterkastell disputierten der Kapitän und der argousin lauthals über Routenwahl und Navigation. Mirijam setzte sich auf, um besser lauschen zu können.
» Verehrter Vancleef, ich denke, das müsst Ihr schon mir überlassen!«, lärmte der Kapitän gerade. » Es geht nicht darum, welche Route wir immer nehmen, sondern darum, welche von Fall zu Fall die beste ist. Und darum, welche Notwendigkeiten sich jeweils aus dem Wind und den anderen Faktoren ergeben.«
» Aber bedenkt doch, Kapitän, wie nah die Inseln sind.«
» Das bedenke ich, Vancleef, das bedenke ich. Vor allem aber bedenke ich, wer hier an Bord der Kapitän ist! Und auch Ihr solltet das nicht vergessen. Oder gelüstet es Euch vielleicht nach den Eisenketten, die wir für etwaige Meuterer an Bord haben?«
Das Geschrei der beiden Männer übertönte sogar das Quietschen der Riemen in den Dollen und den Klang der Schlagtrommel, wobei die Stimme des Kapitäns ungewohnt schrill klang. Während der Steuermann unbeteiligt geradeaus schaute und das lange Ruder mit beiden Fäusten fest gepackt hielt, traten einige Matrosen neugierig näher. Ein lauthals ausgetragener Streit, das war mal etwas Neues, eine Abwechslung in dem täglichen Einerlei.
» Natürlich nicht, das wisst Ihr ebenso gut wie ich. Ich dachte nur …«
» Denkt einfach nicht, ja? Schickt lieber die Männer wieder an die Arbeit, anstatt mir mit unsinnigem Larifari die Laune zu verderben. Ein Eintrag ins Logbuch ist Euch jedenfalls sicher!«
Wutschnaubend verließ der Kapitän das Achterdeck, während Vancleef die Seeleute anherrschte, ob sie etwa glaubten, fürs Maulaffenfeilhalten bezahlt zu werden.
Wieder einmal schweiften Mirjams Augen müßig über den Horizont – diesmal aber entdeckten sie hinter den Segeln der Sacré Cœur und der Santa Katarina ein fremdes Schiff. Da erscholl auch schon
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