Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
eifersüchtige, böse Geister fernzuhalten.
An der Zeremonie der Eheschließung hatte sie nicht teilgenommen. Eigentlich erledigten Väter, Onkel und Brüder des Brautpaares alles Offizielle, während Braut und Bräutigam unsichtbar blieben. In ihrem Fall hatten Miguel und Abu Alî die Eheverträge vor dem kadi der Stadt und den portugiesischen Beamten unterzeichnet und sie damit zu einer verheirateten Frau gemacht. Alles war gut, alles war wunderbar, und sie war glücklich. Oder nicht? Mirijam seufzte erneut, tiefer als zuvor.
Sie hatte Miguel noch immer nichts von ihrer Herkunft erzählt, nach wie vor lebte er in dem Glauben, eine muslimische Frau geheiratet zu haben. Ein einziges Mal, als Miguel vom harten Leben der Seemannsfrauen sprach, hatte sie es mit einer vagen Andeutung versucht. » An Land ist das Leben nicht notwendigerweise leichter. Ich zum Beispiel habe von Kindheit an schweren Kummer erfahren.« Wenn er jetzt nachhakte, konnte sie sprechen, hatte sie gedacht.
» Das wird ab sofort anders, ich verspreche es!«, beeilte er sich stattdessen zu sagen, schlang die Arme um sie und hauchte einen Kuss auf ihr Ohr. So schnell, wie der Moment gekommen war, war er auch schon vorüber.
Sie wusste, sie war feige, aber die Angst, Miguel zu verlieren und einsam zurückzubleiben, verschloss ihr den Mund. Gerade erst hatte sie eine Ahnung davon bekommen, wie es war, geliebt zu werden, darauf wollte sie nicht mehr verzichten. Aber betrog sie ihn nicht, wenn sie etwas so Wichtiges verschwieg? Wie konnte sie diesen Fehler jetzt noch korrigieren? Sie befand sich in einer Zwickmühle, wie bei dem Brettspiel, das sie gerade spielte. Ab einem bestimmten Punkt konnte man nur noch verlieren.
Nervös schluckte Mirijam. Es hielt sie nicht länger auf dem Bett, und so durchmaß sie mit großen Schritten den Raum. Schließlich öffnete sie eine kleine Schatulle und holte die Briefe ihrer Mutter hervor. Sie bewahrte sie inzwischen in einer fein gearbeiteten Schachtel aus duftendem Holz in ihrem Zimmer auf, da sie sie in ihrer Nähe wissen wollte, um sie wieder und wieder lesen zu können. Behutsam löste sie die seidene Kordel, breitete die Blätter wie einen Fächer auf dem Bett aus und betrachtete sie andächtig. Sie waren das Kostbarste, das sie besaß, wertvoller als alle Dukaten in ihren Kisten.
Und wenn sie Miguel nun einen davon zu lesen gab, würde er das nicht als Vertrauensbeweis würdigen müssen? Den letzten Brief zum Beispiel, jenen, in dem Lea den Raubmord beschrieb, oder lieber den ersten, in dem sie von ihrem Glück über das erwartete Kind erzählte? Egal, wenn er den Brief las, würde sich daraufhin bestimmt ein Gespräch ergeben, in dem sie ihm endlich alles erklären könnte, und er würde ihr verzeihen. Ja, so konnte es gehen. Kurz entschlossen ergriff sie beide Briefe und schob sie in ihr Festgewand. Als Haditha mit frischem Obstsaft zurückkam, saß Mirijam auf dem Bett, als sei nichts geschehen.
» Sie feiern noch«, sagte die Dienerin und setzte sich an das Brettspiel. » Wer ist am Zug?« Haditha gewann nicht nur dieses Spiel gegen die zerstreute Mirijam, die die Steine gedankenlos setzte.
Laut Aisha sollte das Bilsenkraut vorher eingenommen werden, aber wann war dieser Augenblick gekommen? Vielleicht kam Miguel schon bald? Mirijam tastete nach den Pillen in der Gewandtasche und seufzte. Es würde schon gutgehen, versuchte sie sich zu beruhigen und ihr Herzklopfen zu überhören.
» Lâlla, Ihr müsst besser aufpassen«, mahnte Haditha. » Es ist allein Eure Schuld, wenn Ihr dauernd verliert.«
Aishas Worte gingen Mirijam durch den Sinn. Die Schwarze war von der Unschuld der Kinder überzeugt und hatte von der Ohnmacht der Schwachen gesprochen, von teuflischen Einflüssen, von Dämonen und besonders davon, das eigene Leben nicht von einer Teufelstat bestimmen zu lassen. Mirijam ahnte die Richtigkeit dieser Auffassung und spürte dankbar, wie sie ruhiger wurde. Vielleicht gelang es nicht sofort, aber sie musste den Dämon besiegen. Wenn sie Miguel nicht vertraute und stattdessen immer wieder ihrer Furcht nachgab, dann hätte der Teufel tatsächlich gesiegt.
Konnten Aishas Pillen, besonders das leichte Rauschmittel, das darin enthalten war, ihre Ängste bezwingen? Mittlerweile hatte sie in Abu Alîs Büchern die genaue Zusammensetzung und Anwendung dieser Medizin aus Bilsenkraut und Mohnsamen nachgeschlagen. Aber hatte die Schwarze auch die gleiche Rezeptur verwendet? Aishas Ruf als afrikanische
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