Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
den Arm um Mirijams Schultern und drückte einen Kuss auf ihre Locken. » Diese verfluchten Korsaren, sie sind schlimmer als die Pest. Und ihr Kommandant trug einen roten Bart und zwei gekreuzte Krummschwerter, sagst du? Der Grieche! Ich wette, das war er, der übelste und zugleich erfolgreichste aller Korsaren: Chair-ed-Din, der Rotbärtige!« Er strich über ihr Haar, doch seine Augen blickten in unbestimmte Ferne. Schließlich sprang Miguel aus dem Bett, fuhr in seine Hose und lief in der engen Kajüte auf und ab.
Hatte er das mit ihrer jüdischen Mutter etwa nicht verstanden, oder nahm er es nicht wichtig? Der Piratenüberfall hingegen erregte ihn anscheinend heftig. Erleichtert, dass sie ihre Geheimnisse endlich losgeworden war, schob sich Mirijam ein Kissen in den Rücken, zog das Laken bis zum Hals und beobachtete Miguels rastloses Auf und Ab.
» Dieser Rotbart muss schon an der Mutterbrust eine Plage gewesen sein, zurzeit jedenfalls ist er der Teufel in Person! Es wundert mich nicht, dass er deine Schwester in einen Harem verkaufte, der nimmt, was er kriegen kann und macht noch aus Schafskötteln Dukaten! Und das Schlimmste, diese Geißel Gottes kennt weder Menschlichkeit noch Gewissen.« Miguel starrte aus dem kleinen Fenster und überlegte. » Allerdings muss ihm der Käufer damals sehr, sogar sehr viel Geld für deine Schwester geboten haben, denn die höchsten Summen schlägt er immer noch aus dem Lösegeld heraus, das die Angehörigen aufbringen müssen. Und weißt du, was er mit dem Lösegeld und den horrenden Verkaufserlösen anfängt?«
Jetzt stand der Kapitän vor dem Bett. Er blickte auf Mirijam hinunter und sah zugleich durch sie hindurch. » Er rüstet die Flotte seines Herrn, des Sultans von Konstantinopel, auf! Niemand ahnt, wie viele Schiffe, Truppen und Kanonen die Raubzüge Chair-ed-Dins schon ermöglicht haben. Die Piraten an sich sind für uns Kauffahrer schon gefährlich, Sultan Süleymans Flotte aber wird mit jedem Tag größer, besser ausgerüstet und damit natürlich immer bedrohlicher.«
Miguel schob die Gläser beiseite, nahm eine Karte aus ihrer Lederhülle und entrollte sie auf dem Tisch. Mit gerunzelten Brauen studierte er die Küstenlinie der Levante, bevor er seine Wanderung durch den engen Raum wieder aufnahm.
Beunruhigte ihn ihr Bericht so sehr, dass er darüber ihre Anwesenheit vergaß? Eigentlich hätte sie ihm am liebsten den Rest auch gleich gebeichtet und ihr Gewissen erleichtert, schließlich konnte sie erst dann einen Schlusspunkt setzen, wenn sie alles enthüllt hatte. Er jedoch schien sie nicht wahrzunehmen.
» Hier liegt es«, endlich deutete Miguel auf die Karte, » das verfluchte Teufelsnest. Es wird erzählt, Sultan Süleyman habe Rotbart mittlerweile weitreichende Vollmachten erteilt. Jedenfalls hat er mit seinen Korsaren in Al-Djesaïr sein eigenes Reich innerhalb des Osmanischen Reiches geschaffen, mitsamt dem dazugehörigen diwan, dem Rat aus Offizieren und Kapitänen der osmanischen Armee. Ich danke Gott jedes Mal, wenn ich jenen Küstenabschnitt ungehindert hinter mir habe. Es ist ein verdammt gutes Gefühl, wenn der Felsen von Gibraltar endlich vor dem Bug auftaucht und die Santa Anna wieder einmal heil davongekommen ist!«
» Bist du ihm oder seinen Schiffen denn schon einmal begegnet?«, fragte Mirijam besorgt. Wie wenig sie doch von ihm wusste, insbesondere von den Gefahren, denen er während seiner Reisen ausgesetzt war.
» Por deus no! Gott sei Dank nicht, und ich habe auch keinerlei Verlangen danach!« Miguel schaute nachdenklich auf die Karte. » Irgendwann – und glaube mir, seitdem der französische König diesen Teufelspakt mit dem Osmanen geschlossen hat, werden wir darauf nicht mehr lange warten müssen! –, irgendwann also wird die gut gerüstete Armada des Sultans den entkräfteten und geschundenen Soldaten von Kaiser Karl V. gegenüberstehen, die sich nun schon seit Jahren vollkommen sinnlos mit dem Papst bekriegen. Und dann gnade Gott uns ehrlichen Kaufleuten und armen Seefahrern!« Er schlug mit der Faust auf den Tisch.
Unsicher beobachtete Mirijam, wie er – barfuß und nur mit der Hose bekleidet – erneut die Kajüte durchmaß. Sie schwieg. Seine Einschätzung der Lage erfüllte sie mit Schrecken. In ihrer Stadt am Meer hörte man nur selten etwas über das große Weltgeschehen, und bisher hatte sie das auch nicht gestört. Selbst die Ausweitung ihrer Geschäfte bis Frankreich, Malta und ins syrische Halab hatte daran nichts
Weitere Kostenlose Bücher