Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
Gegensatz zwischen Glanz und Reichtum einerseits und großer Not andererseits war nicht zu übersehen.
Filipe Rouxinol, der Hafenmeister, der auf das Einlaufen eines Schiffes von der afrikanischen Küste zunächst hocherfreut reagiert hatte, nickte lediglich resigniert, als er erfuhr, das die Santa Anna kein Getreide an Bord hatte. » Immer das Gleiche! Gold und Silber haben wir genug«, stöhnte er. » Was wir dringend bräuchten, ist etwas zwischen die Zähne! Getreide zum Brotbacken, versteht Ihr?«
Er schien ein vernünftiger Mann zu sein, genau der Richtige, um Miguels Fragen zu beantworten. Doch im Moment standen die beiden schweigend nebeneinander und starrten auf das nahezu leere Hafenbecken. Der einstmals geschäftige Hafen wirkte trostlos.
» Gibt es denn in Sizilien kein Korn mehr?«, brach Miguel schließlich das Schweigen. » Früher kam es doch immer von dort oder aus der Normandie. Und was ist mit den alten Handelsverbindungen in die Levante oder mit denen nach Norden, zur Hanse?«
» Ihr wart tatsächlich lange nicht mehr im Lande, Capitão«, schnaubte der Hafenmeister. Er hob die Hände und zählte die einzelnen Punkte an den Fingern ab. » Schon mal von Missernten gehört? Von Ungeziefern wie Ratten und Mäusen, von wochenlangem Regen und Kälte, die ganze Ernten vernichten? Zu den geringen Erträgen kommen im Norden noch üble Krankheiten hinzu, Senhor, namentlich der Schwarze Tod, der eine Schneise der Verwüstung durch das Land zieht. Drittens«, fuhr er fort, den Mittelfinger umklammernd, » gibt es allenthalben Aufstände unter hungrigen Bauern und anderem Gesindel, die den Handel mit lebensnotwendigem Getreide unterbinden. Außerdem, und davon wenigstens werdet Ihr doch wohl gehört haben«, er wackelte mit dem Zeigefinger, » außerdem spielt die unsichere Lage an den Barbareskenküsten eine wichtige Rolle. Der Handel von dort ist gänzlich zum Erliegen gekommen.« Er wartete Miguels Reaktion nicht ab und hob den Daumen in die Höhe. » Aber selbst die geschilderten Gründe zusammen genommen beschreiben nicht unser Hauptproblem. Gehen wir ein paar Schritte?«
Langsam gingen sie die Hafenmauer entlang. » Unser König ist ein rechter Krämer geworden!«, brach es aus dem Hafenmeister heraus. » Nur zwei Dinge interessieren ihn: der Handel mit Pfeffer und Spezereien aus Calicut in Indien einerseits und das Horten von Gold aus der Neuen Welt andererseits!« Er riss sich die Kappe vom Kopf und schlug damit auf seinen Oberschenkel.
» Was ist denn daran verkehrt?«, fragte Miguel.
» Ha!«, schnaubte Rouxinol, » Alles! Was, wenn kein einziges Schiff Getreide aus Alexandrien oder Syrakus herbeischafft? Wenn alles, was schwimmt, nur noch Pfeffer, Kaneel und Muskat oder aber Gold und andere Edelmetalle geladen hat?« Er deutete auf die leeren Lagerhäuser. » Oder seht Ihr dort vielleicht irgendwo noch ein winziges Körnchen, aus dem man Brot backen könnte?«
Deshalb also standen die Tore der Lagerhäuser sperrangelweit offen.
Der Hafenmeister versuchte sich zu beruhigen. » Ich will es Euch erklären, Capitão. Es ist nämlich folgendermaßen: Mit Hilfe ausländischer Kontore und Handelshäuser hat König Manuel ein umfassendes Handelsnetz aufgebaut, und zwar nicht zuletzt durch weitreichende Privilegien, wie zum Beispiel der Zollbefreiung für den Gewürzhandel«, erläuterte er und vergewisserte sich, dass Miguel aufmerksam zuhörte. » All unsere Schiffe, Capitão de Alvaréz, ausnahmslos alle, kennen nun natürlich nur noch zwei Richtungen: entweder um Afrika herum zur indischen Küste oder über den großen Ozean zu den neuen Kolonien. Es ist wie ein teuflisches Fieber, ein Sog, der von den Dukaten und dem Gold ausgeht! Für das Land ist es ein Fluch, das sage ich Euch.«
Er schnaubte. » Unsere fähigsten Navigatoren und Karthographen, eine Armada unserer besten und größten Schiffe und unsere erfahrensten Kapitäne segeln für den König und seine reichen Freunde in der Fremde. Und alle kennen sie nur noch diese Ziele. Ganz klar, denn jeder will natürlich möglichst schnell möglichst viele Reichtümer ansammeln!«
Allmählich verstand Miguel. » Das ist wahr, auch mir wurde zugetragen, in der Neuen Welt läge das Gold gleichsam auf der Straße.« Sogar ihn hatte es schon gejuckt, über den großen Ozean zu segeln und sich an den Eroberungen zu beteiligen. Oder aber den Spuren Vasco da Gamas zu folgen und um Afrika herum gen Indien zu fahren, um beim Gewürzhandel
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