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Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln

Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln

Titel: Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Cramer
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mit jedem Schritt. Schließlich war sie nicht nur mit dem Leben davongekommen, sie hatte sogar ihre Stimme wiedergefunden – das konnte nicht umsonst gewesen sein!
    Immer noch ging es viel zu steil im weichen Sand bergan, als dass sie hätte aufsteigen und reiten können, und immer wieder rutschten entweder sie oder das Kamel ein Stück abwärts und mussten überwunden geglaubtes Terrain erneut erobern. Langsam aber kamen sie doch höher.
    Plötzlich hörte sie Stimmen.
    » Allah u aqbar, der Herr ist wahrhaft groß! Seht doch, Sîdi, dort! Er hat überlebt. Azîz! Azîz, warte, wir holen dich!« Omar und Harun!
    Mirijam riss beide Arme empor und winkte. » Hierher!«, brüllte sie, so laut sie konnte. Dabei lachte sie, winkte und sprang hoch, und immer wieder rief sie: » Harun, Omar! Hierher, hier bin ich!«
    Wie zwei Engel kamen ihr die beiden jungen Männer vor, die mit weit gespreizten Armen und wehenden Gewändern die Flanke der Düne herabschlitterten und durch den aufstaubenden Sand angerannt kamen.
    » Wie hatten dich auf einmal verloren, Azîz! Aber, oh, welch ein Wunder, du lebst. Und du sprichst! Die guten Dschinn der Wüste haben dir die Stimme wiedergegeben, Al-hamdullillah!«
    Harun schwenkte schon von weitem seinen Wasserbalg. Endlich war er bei ihr, kam in einer Staubwolke zum Stehen und reichte ihr die gerba.
    Hastig spülte Mirijam den Sand aus dem Mund, dann trank sie. Immer wieder setzte sie die gerba an den Mund und trank von dem warmen, muffigen Wasser. Natürlich war es abgestanden und schal, und doch kam es ihr vor, als habe sie noch niemals etwas Köstlicheres getrunken.
    » Shukran!«, rief sie endlich und lachte ein wenig atemlos. » Alf shukran, tausend Dank!«
    Harun schlug ihr kräftig auf den Rücken. » La shukran, Azîz, nichts zu danken, Allah gibt das Wasser und das Leben. Ich jedenfalls wusste immer, irgendwann redest du mit mir.«
    Mit Hilfe der beiden Kameltreiber gelang der weitere Aufstieg beinahe mühelos. Abu Alî saß zu Füßen seines Kamels im Sand und blickte ihnen entgegen. Seine Beine wollten ihn nicht mehr tragen, aber die Tränen, die ihm über die staubigen Wangen rannen und helle Spuren hinterließen, waren Tränen des Glücks.
    » Azîz, mein Kind!«, rief er ihr entgegen. » Sieh nur, dort unten! Ist es nicht ein Wunder?«
    Die erste der paradiesisch grünen, wasserreichen Sebkha-Oasen mit ihrem Palmenhain lag direkt unter ihnen.
    » Ouacha, Abu, ja, ich sehe«, sagte Mirijam, kniete sich zu dem alten Arzt in den Sand und nahm seine Hände. » Und es ist sogar mehr als nur ein Wunder geschehen: Meine Stimme ist zurückgekehrt. Ich spreche.«
    Ein Staunen gleich dem Sonnenaufgang ging bei ihren Worten über das Gesicht des Alten, und er zog sie in seine Arme.
    Jetzt endlich lösten sich der Druck und die ungeheure Spannung in ihrer Brust. Sie senkte den Kopf und begann zu weinen. Am liebsten aber hätte sie gleichzeitig in den höchsten Tönen gejubelt und gelacht.

3. TEIL
    MIGUEL UND CORNELISZ 1523

28
    Ausgerechnet jetzt, mit Beginn der Herbststürme hatten sie die Reise angetreten. Aber hatte er eine Wahl gehabt? Miguel de Alvaréz, der Steuermann der San Pietro, kniff die Augen zusammen und sah sich rasch um. Dass ausgerechnet Kapitän da Palha das Kommando hatte, war allerdings Pech, Riesenpech. Wäre da nicht die wutschnaubende Familie der süßen Aurelia gewesen, mit der er in den vergangenen Wochen näher bekannt geworden war, sogar sehr nah, hätte er ein Schiff unter Felipe da Palhas Führung niemals betreten. Aber zwei Brüder mitsamt dem rachsüchtigen Vater, und alle drei ihm auf den Fersen? Unter diesen Umständen hatte er sogar Glück gehabt! Nicht nur, dass die San Pietro zum Auslaufen bereitlag, offenbar hatte sich auch der ursprünglich angeheuerte Steuermann auf Nimmerwiedersehen verdrückt und ihm damit seinen Platz sozusagen auf dem Silbertablett dargeboten. Ja, dachte er, man musste es wohl eine glückliche Fügung nennen, dass er auf diese Weise noch einmal vor der sicheren Fahrt in den Hafen der Ehe davongekommen war. Graças a Deus, Gott sei Dank!
    Miguel hob die Nase und witterte wie ein Hund in alle Richtungen, doch da war nichts, kein Land, keine Insel, keine Küste. Schon seit Tagen blies der Passat aus Nordost. Schwere Wolken verdeckten die Gestirne, und immer wieder gingen Regengüsse über dem Schiff nieder. Mittlerweile war er fest davon überzeugt, dass die Strömungen sie weit nach Westen verdriftet hatten. Die fixen

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