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Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln

Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln

Titel: Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Cramer
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Unbarmherzigkeit aus einer anderen Richtung? Doch das Singen wurde wahrhaftig leiser, und im nächsten Augenblick endete auch das Dröhnen. Auf einmal war es totenstill. Mirijam hob den Kopf und lauschte. Wie viel Zeit mochte wohl vergangen sein? Ihr kam es wie eine Ewigkeit vor. Sie schüttelte den Sand ab, schälte sich aus dem burnus und erhob sich.
    Hohe Staubwolken verdeckten die Sonne und löschten alle Farben und Konturen aus. Neben ihr rührte sich das Kamel. Es lebte, sie hatten beide überlebt!
    Eines wusste Mirijam: Egal wie, sie musste unbedingt den Kamm der Düne erreichen. Jenseits der Düne, so viel glaubte sie vorhin verstanden zu haben, begannen die rettenden Oasen. Dort würde sie Wasser finden.
    Mit Pfiffen und Tritten brachte sie das Tier dazu, sich zu erheben. Zunächst drehte die Stute nur den langen Hals und versuchte, nach Mirijam zu schnappen, endlich aber stand das störrische Biest auf den Beinen. Es tat allerdings keinen Schritt, sosehr Mirijam auch am Halfter zerrte und zog.
    » Komm, los jetzt, vorwärts, du dummes Tier! Yallah!«, schrie sie schließlich verzweifelt und zog erneut am Zügel.
    Plötzlich blieb sie wie angewurzelt stehen und ließ die Arme sinken. Da war eine Stimme gewesen. Irgendjemand hatte geschrien, das hatte sie deutlich gehört. Hatte ihr der Sandsturm derart zugesetzt, dass sie nun in der Windstille plötzlich Geisterstimmen vernahm? Denn vernommen hatte sie zweifellos etwas, jemand hatte yallah gerufen, ziemlich laut sogar.
    So angestrengt sie sich auch umsah, sie war allein. Sie warf einen Blick auf ihre Stute, die stand jedoch mit hängendem Kopf an ihrem Platz und rührte sich nicht.
    Eine unmögliche Hoffnung flammte in ihr auf.
    Mirijam wagte nicht, den Gedanken, der sich in ihr ausbreiten wollte, zu Ende zu denken. Ihr Herz raste, als wolle es ihr aus der Brust springen. Mein Gott, flehte sie stumm, wie immer du heißt und wo immer du bist, steh mir bei!
    Sie schloss die Augen und holte Luft. Sie räusperte sich mehrmals, sie öffnete sogar den Mund, nur um ihn gleich darauf wieder zu schließen. Sollte sie es wirklich wagen? Endlich aber fasste sie sich ein Herz.
    » Yallah«, kam es leise, rau und unsicher aus ihrer Kehle. Dann noch einmal, immer noch verhalten, aber schon etwas lauter: » Yallah.«
    Es war ihre Stimme, tatsächlich ihre eigene Stimme! Ungläubig riss sie die Augen auf. Nach wie vor war sie allein mit ihrem Kamel, und auch sonst schien um sie herum alles unverändert. Es gab keine Himmelserscheinung und auch kein Glockengeläut, es gab nichts als Sand, so weit das Auge reichte. Und dennoch war das Unglaubliche geschehen: Sie konnte wieder sprechen!
    » Yallah«, sagte sie gleich noch einmal mit einem strahlenden Lächeln und lauschte dem Klang ihrer eigenen Stimme. Sie musste husten, zwischen den Zähnen knirschte Sand, und ihre Zunge klebte am Gaumen. Aufgeregt bemühte sie sich, so viel Speichel wie möglich im Mund zu sammeln und die Lippen anzufeuchten. Dann aber schrie sie, so laut sie konnte: » Yallah, du Biest, yallah!«, und lachte dabei aus vollem Hals, während ihr gleichzeitig die Tränen über die Wangen liefen. » Yallah! Auf, los! Jetzt komm schon, du dummes Tier!«, befahl sie mit neuem Mut, packte das Seil und zog das Kamel bergauf.
    Der Sand der steilen Düne kam ihr loser vor als vor dem Sturm, sie rutschte, die Stute bockte, aber das half nichts, sie mussten hinauf. Schließlich hatte sie die Schrecken der letzten Stunden nicht ertragen, um nun an der Sturheit eines Kamels zu scheitern und womöglich doch noch als bleiches Gerippe im Sand zu enden. Schimpfend zog sie am Seil. Dann wieder rannte sie hinter die Stute, um ihr mit flachen Händen auf die Hinterbacken zu schlagen, in die Kniekehlen zu treten und sie zu schieben. Wenn es sein musste, würde sie das Tier in den Hintern und in die Beine beißen.
    » Hinauf mit dir!«, keuchte sie. » Los! Nun mach schon, hinauf, sage ich!«
    Sie konnte ihre Stimme hören! Ein wenig fremd kam sie ihr zwar vor, rau und belegt, doch es war ihre Stimme. » Komm schon,« knurrte sie, » du willst doch auch trinken.«
    Die Stute tat einen Schritt, dann noch einen, plötzlich drei – es ging aufwärts! » Nun wird alles gut«, hörte sie sich sagen. » Ganz sicher wird jetzt alles gut.« Sie redete und redete, immerzu, Ermutigendes und Sinnloses, irgendetwas, nur damit sie ihre Stimme hören konnte.
    Während sie sich weiter durch den schwimmenden Sand quälte, wuchs ihre Zuversicht

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