Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
die Schwindsucht, Abhilfe schaffen konnte er jedoch nicht. Doch nun war alles bereit. Zufrieden besah er den größeren und die beiden kleineren Räume, allesamt sauber, mit dem Nötigsten eingerichtet und angenehm warm. Hier konnte sich die Signorina behaglich einrichten.
Als es klopfte und Pacelli zur Tür humpelte, ging ihm durch den Kopf, ob nicht vielleicht ein Frauenkloster doch besser geeignet gewesen wäre als ausgerechnet das Haus eines alten Seemannes. Aber er schob diesen Gedanken beiseite, öffnete weit die Tür und sagte: » Kommt herein und seid mir willkommen!«
35
Sijilmassa
Abdallah glitt von seinem Kamel, hinkte zur Pforte der Kasbah und schlug mit der Faust dagegen. » Was soll das?«, knurrte er. » Sie müssen uns doch schon längst gesehen haben!«
Das Tor blieb geschlossen.
Idriss und Hassan kümmerten sich um die Pferde, die Saïd bei den Züchtern zwischen Miknas und Oum Er’Rbiaa gekauft hatte – starke, ausdauernde Tiere, die den beschwerlichen Weg durch die Wüste sicher gut verkraften konnten. Obwohl sie die heutige letzte Etappe in einem flotten Tempo zurückgelegt hatten, wirkte keines der Tiere müde. Im Gegenteil, sie schnaubten und warfen die Köpfe in die Höhe, als hätten sie noch lange nicht genug. Unbehelligt von irgendwelchen osmanischen Spähern hatten Saïd und seine Männer den Rückweg aus Miknas hinter sich gebracht, wo Azîza von Onkel und Tante, bei denen sie den Winter verbringen sollte, nach Kräften verhätschelt wurde.
Hier in Sijilmassa nun stand Saïd zunächst die schwere Begegnung mit Brahims Familie, mit dessen Frau Douda und ihren Kindern, bevor, aber auch mit seiner Mutter Nurzah, die sicher ebenfalls sehr um Brahim trauern würde. Danach aber galt es, die große Karawane für die Wüstendurchquerung zusammenzustellen, dafür war es allerhöchste Zeit. Die Arbeit würde ihn ablenken, dachte er. Hoffentlich konnte er bald aufbrechen.
Saïd ritt selbst an das riesige Portal, zückte sein Krummschwert und klopfte mit dem Griff gegen das Holz.
Eine niedrige, schmale Schlupfpforte im linken der beiden Flügel des massiven Tores öffnete sich, und Abdul, der Wächter, trat heraus. Seit Kindertagen, als sie gemeinsam die Koranschule besucht hatten, waren Saïd und er befreundet. Nun ergriff er dessen Hand und küsste sie. » Al hamdullillah, du bist zurück, Sîdi! Allah u aqbar, mein Herz ist froh.« Zu Abdallah gewandt, sagte er: » Und auch du bist gesund, mein Freund, Allah sei Dank.« Er freute sich aufrichtig. Dann aber verstellte er die Tür.
Das war seltsam. Saïd blickte den Freund an, kreuzte die Füße auf dem Hals seines Kamels und ließ die Hände locker im Schoß ruhen. Er hatte Zeit, das bedeutete, er würde warten.
Abdul schlug die Augen nieder. » Es tut mir leid, Sîdi, du musst warten wie alle. Ich kann dich erst einlassen, wenn der Imam seine Predigt und die Gebete beendet hat.« Er blickte weder Saïd noch Abdallah an, als er erklärte: » Sheïk Hussein, der inzwischen als neuer amghar bestätigt wurde, hat angeordnet, dass während der Gebetszeit die Burgpforte geschlossen bleibt. Niemand darf hinein oder hinaus. Niemand. In der Burg hält einer Wache, und heute hat man mich dazu eingeteilt.«
Saïd kam es vor, als hätte Abdul beinahe » verurteilt« gesagt. Doch er nickte nur. » Ouacha. Dann bringen wir inzwischen die Pferde zur Sammelstelle. Sind meine Männer dort oder beten sie ebenfalls?«
» Sie stellen am r’baat, dem alten Wehrturm, die Tiere für die Karawane zusammen. Sheïk Hussein sagte zwar, es würde keine Karawane geben, aber …« Abdul verstummte. Er schien sich immer unbehaglicher zu fühlen. » Seit Tagen schon füllen deine Männer Säcke mit Datteln, Zucker und Salz ab«, ergänzte er schließlich, » außerdem liegen natürlich die Waren bereit, die du aus Miknas vorausgeschickt hast. Du weißt, die Krüge mit dem Honig sowie etliche Ballen Baumwollgewebe. Sie sagten, der amghar sei nicht der Karawanenführer, und sie würden auf dich warten.«
Saïd straffte sich und hob beinahe unmerklich das Kinn. Offenbar hatte Hussein inzwischen versucht, die Karawane, und damit einen nicht unerheblichen Teil der Familieneinnahmen, in seine Hand zu bringen. Bei Allah, was ging nur in dem Bruder vor? Hussein war zwar immer eifersüchtig auf das gute Verhältnis zwischen ihm und Brahim gewesen, aber würde er es wagen, dessen ausdrückliche Wünsche zu ignorieren, noch dazu so kurz nach dessen Tod? Seine eigene
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