Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
tüchtigen Sohn und Nachfolger hätte er nichts einzuwenden gehabt.«
Sie stockte. Wie kam sie dazu, etwas derart Persönliches auszuplaudern? Es lag wohl an der Vertrautheit der Umgebung. Egal, bevor sie hereingekommen war, hatte sie sich mit einem Blick in den Spiegel vergewissert, dass sie tatsächlich genauso hübsch aussah, wie sie sich fühlte.
» Wo habt Ihr unsere Santa Anna II getroffen, Capitano ?«, fragte sie. » Ging es meinem Vater gut? Wann wird er zurückkommen?«
» Freundlicherweise hat uns Kapitän Capello einen Brief von ihm gebracht, Sarah, vermutlich unterrichtet er uns darin selbst über seine weiteren Pläne.«
Der sanfte Tadel ließ Sarah erröten. Sie hasste es, sich wie ein kleines Mädchen zu fühlen, und genau das brachte ihre Mutter ausgerechnet jetzt wieder einmal fertig. Doch der Ärger verflog, als sie auf dem niedrigen Tisch tatsächlich einen noch verschlossenen, gesiegelten Brief entdeckte. Briefe von ihrem Vater waren selten, umso mehr musste sich ihre Mutter danach sehnen, seine Zeilen endlich zu lesen. Als gute Gastgeberin füllte sie jedoch stattdessen die Gläser mit frischem Tee und rückte eine Schale mit goldgelb gebackenen Küchlein ein Stück näher zu ihrem Gast hinüber, obwohl der dankend die Hand hob.
Erfahren auf gesellschaftlichem Parkett, zögerte Marino Capello, der junge Kapitän der stolzen Angelo San Marco, nur einen winzigen Moment. Dann antwortete er freundlich und Sarah zugewandt: » Ich habe Euren Herrn Vater zwar mehrmals getroffen, unter anderem in meiner Heimatstadt Venedig, wo ich die Ehre hatte, ihn zu meinen Gästen zählen zu dürfen. Über seine Pläne bin ich allerdings nur vage unterrichtet. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, Signorina, so befand er sich aus einem bestimmten Grund in Venedig. Könnte es sein, dass er sich unbedingt das neueste Sortiment der Glasperlenmacher von Murano zeigen lassen wollte?« Die schwarzen Augen unter den dichten Brauen lächelten bei diesen Worten.
Unwillkürlich strahlte Sarah und nickte, dass ihre Locken tanzten. » Hast du gehört, Mama? Sicher suchte Papa nach weiteren Meisterstücken für mich. Ihr müsst wissen, Signore, von all seinen Reisen bringt er mir etwas mit, Korallen, Glasperlen und vieles mehr, weil er weiß, wie sehr ich Schmucksteine und Perlen aller Art liebe.«
Capellos Augen glitzerten. » Ich dachte mir schon so etwas, nachdem ich bereits das Vergnügen hatte.«
» Tatsächlich? Wie das?« Die Hausherrin brachte sich zurück ins Gespräch.
» Kapitän Capello war gestern bei seiner Ankunft so freundlich, einige meiner millefiori aufzuheben, die mir heruntergefallen waren. Ich habe vergessen, dir davon zu erzählen.«
» Du warst im Hafen?« Der Tonfall klang missbilligend.
» Gemeinsam mit der halben Stadt«, fiel Capello rasch ein, bevor Sarah etwas entgegnen konnte. Auf die Ausstrahlung aristokratischen Selbstbewusstseins und auf seine Gewandtheit konnte er sich verlassen. » Man bereitete mir einen wunderbaren Empfang. Auch der Hafenmeister und der Stadtkommandant begrüßten und beglückwünschten mich, die Reise unbehelligt von Piraten hinter mich gebracht zu haben. Aber wie ich bereits sagte, Signora, der exzellente Ruf Eures Purpurs verleiht offenbar sogar so schweren Schiffen wie dem meinen Flügel.« Eine angedeutete Verbeugung und sein strahlendes Lächeln sollten der Meisterin der Purpurfärberei huldigen.
» Davon weiß ich nichts«, wehrte diese jedoch ab.
Sarah wand sich innerlich vor Unbehagen. Einerseits freute es sie, dass ihr der Kapitän offensichtlich beispringen wollte, auf der anderen Seite wusste sie, dass er zu dick auftrug. Schönrederei und übertriebenes Getue waren ihrer Mutter ein Gräuel. » Beifall ohne Grundlage besitzt keinen Wert« – wie oft hatte sie früher während der Unterrichtsstunden diesen Satz zu hören bekommen. Öde und lang waren ihr diese Stunden häufig vorgekommen, wenn es um nichts als Lesen, Schreiben, Auswendiglernen und Vergleichen ging . Hatte sie allerdings ihre Vokabeln parat, einen Text richtig erklärt oder eine Rechenaufgabe zur Zufriedenheit ihrer Mutter gelöst, so konnte sie mit derem aufrichtigen Lob rechnen und stolz auf die eigene Leistung blicken. Ihr Vater hingegen war viel nachsichtiger gewesen. Ihm fiel selbst eine Entschuldigung für sie ein, wenn sie sich nur mäßig für sein Astrolabium interessiert oder die Windkarten verlegt und nicht für den Nautikunterricht gelernt hatte. Er verstrubbelte ihr
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