Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
falls sie jemals Wind vom wahren Grund seines Herkommens bekommen sollte. Dabei hatte er sich ganz besonders beeilt, um möglichst lange vor ihrem Ehemann hier zu sein. Was nun?
Vor Taranto in Puglia, einer alten griechischen Ansiedlung, die auf Inseln im Flachwasser des Golfes zwischen zwei Meeren lag, hatten Fischer ein reiches Vorkommen von murex trunculus entdeckt. Diese Tölpel benutzten die Purpurschnecken als Fischköder! Sie mochten es nicht besser wissen, ihm jedoch schwebte Größeres vor. Zum Glück hatte er sich die Inseln dank der Unterstützung seines Onkels Andrea bereits sichern können, er hatte sogar schon einen tüchtigen Verwalter eingesetzt. Nun stand der nächste Schritt bevor.
Erneut fiel sein Blick auf die hübsche Tochter, und plötzlich zeichnete sich vor seinem geistigen Auge eine sehr befriedigende Wendung ab. Seine Kumpane mochten ihn einen Hasardeur nennen, der dem Glück hinterherlief, er aber wusste, wann er gute Karten in der Hand hatte! Er grinste in sich hinein.
*
Sarah beeilte sich, dem Gespräch eine neue Richtung zu geben. » Schade, doch von Pferden verstehe ich nicht viel. Ich reite, aber das ist schon alles. Ihr werdet also erst auf dem Rückweg Ladung an Bord nehmen? Vermutlich Zuckerrohr?«
» So ist es. Übrigens, verehrte Signora«, lächelnd wandte sich der Kapitän der Mutter zu, » Euer Gemahl gab mir zweierlei mit auf den Weg: Erstens dürfe ich keinesfalls versäumen, mir Eure wundervollen Teppiche zeigen zu lassen. Er geriet geradezu ins Schwärmen über sie. Und das Zweite scheint ein Turm mit acht Ecken zu sein. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, so gibt es hier einen Aussichtsturm, von dem aus man …«
» Möchtet Ihr zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen?«, unterbrach ihn Sarah. Hier kam ihre Gelegenheit, den schlechten Eindruck zu berichtigen, den sie gestern im Hafen hinterlassen hatte. Außerdem konnte sie sehen, dass die Blicke ihrer Mutter immer wieder zu Vaters Brief wanderten. Sicher war sie begierig darauf, ihn zu lesen.
» Oho, zwei Fliegen? Und was müsste ich für ein solch ungewöhnliches Jagdglück tun?«, lachte der Kapitän.
» Mir folgen, sonst nichts«, gab ihm Sarah vergnügt zurück. » Der Weg zu unserem Turm mit der Aussicht, von der mein Vater schwärmte, führt nämlich quer durch die Teppichmanufaktur. Wir sollten gleich dorthin aufbrechen, denn jetzt, am späten Nachmittag, ist das Licht über der Bucht ganz besonders schön. Du erlaubst doch, Mama?«
*
Mit den Fingerspitzen zog er die verschlungenen Arabesken der weichen Teppiche nach, die Sarahs Helfer vor ihm ausbreiteten, und kommentierte die Harmonie der Farben und Gefälligkeit der Muster. Seine Aufmerksamkeit jedoch galt der jungen Frau. Was für ein erfreulicher Anblick sie doch war, so unverkrampft, ganz wie ein roher Diamant. Ihr Vater hatte behauptet, sie sei sehr gebildet. Nun ja, da hatte vermutlich vor allem Vaterstolz aus ihm gesprochen. Wo sollte man an dieser trostlosen Piratenküste auch einen brauchbaren Lehrer herbekommen?
Die Strahlen der tiefstehenden Sonne zauberten eine schimmernde Gloriole um ihren Kopf. Selbst wenn er bedachte, dass es sich lediglich um tanzende Staubkörnchen im Gegenlicht handelte, so war das Bild doch von einer berückenden Schönheit. Behutsam nahm er ihre Hand und hauchte einen Kuss darauf.
Verwirrt entzog Sarah sie ihm, wenn auch zögernd. Sie sah ihm forschend in die Augen, bevor sie den Blick niederschlug und errötete, dann wies sie auf die Treppe zum Turm. Und noch während sie hinaufstiegen, entstand aus seinen bislang eher müßigen Überlegungen ein Plan, der von Stufe zu Stufe konkretere Formen annahm.
4
Nur die Fenster des achteckigen Turmzimmers waren frei geblieben, sonst war selbst die kleinste Ecke mit Regalen zugebaut, die gefüllt waren mit Büchern und Folianten, mit Kistchen, Schachteln, Säckchen und kleinen Holztruhen. Ein wunderbarer Duft entströmte ihnen, würziger als alles, das er kannte. Und er hatte weiß Gott schon alles Mögliche gerochen, von Nelken und Vanille über kostbarstes Rosenöl und Ambra bis zum seltenen Moschus. Von Sarah ging ein zarter Zitronenduft aus, der ihm frischer und lebendiger vorkam als die teuren und zumeist schwülen Kostbarkeiten, mit denen man in Venedig bisher seine Nase umschmeichelt hatte. Unauffällig trat er einen Schritt näher an sie heran und sog mit geweiteten Nüstern ihren Duft ein.
Sarah öffnete zwei nebeneinanderliegende Fensterflügel und wies auf die
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