Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
eine kleine Schar von Mädchen vermittelt, die nun täglich, mit Ausnahme des Shabbat, erschienen, um zunächst bei ihr zu lernen. Bisher konnte man ihre Skizzen kaum als Entwürfe bezeichnen, und ihre Perlenarbeiten waren noch fehlerhaft, aber unbegabt schien keine von ihnen zu sein. Bald würde sie wissen, welche der Mädchen geeignete Stickerinnen werden und ihr zur Seite stehen könnten.
Auch Lea fand neben ihrer Hausarbeit immer wieder Zeit, ihr zu helfen und Perlen oder Stoffmuster zu sortieren. Oftmals kam sie aber auch nur, um ein wenig zu plaudern. Kurz entschlossen hatte sie zudem das Kochen für Sarah und Yasmîna übernommen. » Es macht mehr Freude, in einem großen Topf zu kochen«, behauptete sie, » außerdem schmeckt es besser.«
Der alte Ya’qub und sein Sohn Ismail waren in Bani Mellal geblieben. Sie seien des Umherziehens leid und arbeiteten lieber unbehelligt vom Krieg in einer Kupfermine, hatte Lea berichtet. Lea und Slimane aber, dessen Kunst als Graveur in Bani Mellal keine Anerkennung gefunden hatte, waren nach Norden, nach Melilla zurückgekehrt. Aus Slimanes Werkstatt klang von früh bis spät das Geräusch seiner feinen Hämmer, Meißel und Stichel, mit denen er Platten und Kannen, Einfassungen von Spiegeln und allerlei Gefäße verzierte. Wahre Kunstwerke entstanden unter seinen Händen.
» Wir haben anspruchsvolle Kunden. Die meisten von ihnen sind Spanier, deren Frauen Glanz und Luxus lieben«, erklärte Lea noch am Tag ihrer Wiederbegegnung. » Wir haben es gut getroffen.« Für Sarah klang das seltsam, denn immerhin hatte Leas Familie in Al-Andalus um ihr Leben fürchten müssen. Und nun hatten sie sich ausgerechnet in einer von Spanien dominierten Stadt niedergelassen? Vielleicht waren katholische Spanier für Lea und ihren Mann trotz allem berechenbarer als muslimische Osmanen und Berber, die gegeneinander Krieg führten?
Von diesem Krieg, der zwischen den verfeindeten Sultansbrüdern tobte, hörte man zwar reden, zu spüren war er allerdings kaum. Getreide, Obst und Gemüse, das aus der Umgebung geliefert wurde, gab es auf den Märkten der Stadt stets in ausreichender Menge und zu vertretbaren Preisen. Mit seiner ruhigen Art hatte Slimane ihr erklärt, die Kämpfe beträfen die Stadt nicht, sie fänden weiter südlich statt, in der Gegend zwischen Féz und Miknas, aber Genaues wusste er auch nicht. Miknas – beim Namen dieser Stadt erinnerte sie sich wieder an Azîza und Saïd. Wie es ihnen wohl ging?
Saïds Karawane, seine Sorge, was die osmanischen Kundschafter im Lande anging, der Überfall, aber auch die gewitzte Azîza: Seitdem sie in Melilla lebte, kamen ihr wieder häufiger Bilder der Reise vor einem Jahr in den Sinn. Dieses Jahr war vergangen wie im Flug, und doch hatte sich in der Zeit alles verändert. Venedig, Margalis Geburt, die Angst um das Kind, ihr völlig anderes Leben, und nun war sie gar wieder zurück in Marokko, und neue Herausforderungen lagen vor ihr.
Sarahs Blick folgte den Wolken, die weiß und flaumig landeinwärts segelten. Erneut war es Sommer geworden, und wie im letzten Jahr würden sich auch diese Wolken über dem aufgeheizten Land auflösen, ohne einen einzigen Regentropfen zu spenden. Hier, in dieser von einer leichten Brise durchströmten Küstenstadt hingegen ließen sich die heißen Monate gut ertragen. Zudem lag die Stadt auf einer hügeligen Halbinsel, so dass die frische Meeresluft jeden Winkel der Stadt erreichte. Ja, die Ähnlichkeit mit Mogador war unverkennbar.
Ihre erste Auftraggeberin, die Frau des spanischen Hafenkommandanten, erfuhr über ihren Mann von der Ansiedlung einer Perlenstickerei. Kapitän Pacelli hatte kaum ihre Sachen in die neue Werkstatt schaffen lassen, als Señora Mendoza Sánchez auch schon zwischen den geöffneten Truhen und unausgepackten Schachteln in der Tür stand und um einen Entwurf für eine exklusive Robe bat. Und bereits am nächsten Tag kam die Dienerin einer reichen marokkanischen Dame vorbei, der die Spanierin von den Künsten der » venezianischen« Perlenstickerin vorgeschwärmt hatte.
» Ich glaube, du wirst Erfolg haben!«, freute sich Lea. » Slimane sagt das ebenfalls, deshalb hat er auch schon Juan, seinem Händler, von deinen Arbeiten erzählt. Wenn du willst, wird Juan deine Stickereien bei seiner nächsten Reise mitnehmen und auf den Märkten außerhalb Melillas anbieten. Zuerst allerdings müssen die Kämpfe vorüber sein.«
Zusammen mit Margalis Versorgung und der Unterweisung der
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